global 6. Geographie und Wirtschaftskunde, Schulbuch

140 Fallbeispiel Kompetenzorientierte Lernziele Herausforderungen und Chancen des EU-Beitritts der Türkei analysieren Die geopolitische Rolle der Türkei in Europa unter Berücksichtigung aktueller Problematiken bewerten Umstrittener Beitrittskandidat Türkei Die Türkei – ein ewiger Beitrittskandidat? Schon seit Jahrzehnten strebt die Türkei den Beitritt zur Europäischen Union an (siehe auch S.127). Aktuell ist die Türkei aber immer noch kein Mitglied der EU. Seit Jahren wird ein möglicher Beitritt kontrovers diskutiert. Das Land hat eine bedeutsame geographische und geopolitische Lage in Europa. Mit seinem asiatischen Anteil grenzt die Türkei an Länder wie Syrien, den Irak und den Iran und spielt damit eine entscheidende Rolle in der Friedenssiche- rung im Nahen Osten. Mit der Türkei als Mitgliedstaat könn- te die EU ihren Einfluss bei der Vorbeugung und Verhinde- rung von Krisen im Mittleren Osten vergrößern und zur Stabilisierung der Kaukasusregion beitragen. Zudem ist die Türkei trotz ihrer wirtschaftlichen Probleme ein wichtiger Wirtschaftspartner für zahlreiche europäische Staaten und ein wichtiges Zuwanderungsland. Warum ist der Beitritt der Türkei zur EU derart umstritten? Kritikerinnen und Kritiker sehen die Menschenrechte in der Türkei noch sehr weit entfernt von europäischen Standards. Die Meinungs- und Religionsfreiheit sind zwar theoretisch gewährleistet, in der Praxis aber stark eingeschränkt. Ver- haftungen von Journalistinnen und Journalisten und Kont- rollen regierungskritischer Zeitungen sind ebenso alltäglich wie die Diskriminierung religiöser Minderheiten und Homo- sexueller. Viele Menschen, vor allem Migrantinnen und Migranten, sind von Menschenhandel und Zwangsarbeit betroffen. Korruption, Geldwäsche und Bestechungen gehö- ren zum politischen Alltag in der Türkei. Die Menschenrech- te sind in der EU ein fundamentaler Wert und nicht verhan- delbar, weshalb dieser Punkt das wohl größte Hindernis für den EU-Beitritt darstellt. In letzter Zeit hat sich das Verhält- nis zwischen der EU und der Türkei massiv verschlechtert. Flüchtlingskrise als Chance für die Türkei? Die durch den Bürgerkrieg in Syrien ausgelösten Flücht- lingsströme nach Europa und die damit verbundenen Un- terbringungsprobleme haben das Thema EU-Beitritt der Türkei neu aufgerollt. Um die Flüchtlingsströme besser kontrollieren zu können, ist die EU auf eine enge Zusam- menarbeit mit der Türkei angewiesen. Dazu wurde 2016 ein Abkommen zwischen der Türkei und der EU geschlossen, welches die Türkei zur Rücknahme illegal nach Griechen- land gelangter Flüchtlinge verpflichtet. Im Gegenzug erhält die Türkei nicht nur finanzielle Unterstützung für die Ver- sorgung der Flüchtlinge und Visa-Liberalisierungen (die Einreise türkischer Bürgerinnen und Bürger in EU-Mitglied- staaten wird dadurch erleichtert), sondern auch große Zugeständnisse in den zeitweise eingefrorenen Beitrittsver- handlungen mit der EU, die dadurch weiter vorangetrieben werden. Trotz dieser Annäherungen scheint der EU-Beitritt der Türkei noch in weiter Ferne. M1 Türkei und die EU M2 Auszug aus einem Spiegel-Interview mit Sebastian Kurz M3 Karikatur Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz: In der Türkei werden derzeit Andersdenkende einge- schüchtert, Oppositionspolitiker eingesperrt und man denkt über die Wiedereinführung der Todesstrafe nach. Da braucht es aus meiner Sicht eine klare Reaktion der EU. Das EU-Parlament hat eine mutige und richtige Re- solution beschlossen, in der gefordert wird, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einzufrieren sind. In den Schlussfolgerungen der Außenminister muss es ebenfalls eine Reaktion auf die Entwicklungen in der Tür- kei geben. Wir müssen ebenfalls vorschlagen, die Bei- trittsgespräche einzufrieren. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/oesterreichs- aussenminister-kurz-zu-eu-gespraechen-mit-der-tuerkei- a-1125349.html, Hasnain Kazim, 10.12. 2016, abgerufen am 11.12. 2016) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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