sprachreif 4, Schulbuch

97 gibt es am ersten Abend beim Meet-up in der Bord-Disco T-Shirts mit Logo und blaue Bänd- chen aus Sto². Damit wir einander erkennen, eine Art Generalschlüssel, sagt Völkner, zum Networken auf dem Schi². Die Gruppe zählt 197 Menschen aus 33 Natio- nen, „digital nomads“ und Leute, die vielleicht selbst gerne Nomaden würden, sich das Ganze aber erst aus der Nähe anschauen wollen. Einst- weilen, sagt Völkner, verdiene er noch nicht viel an der Nomad Cruise, Testphase, ziemlich an- strengend, das alles. Sein freundliches Se- samstraßengesicht wirkt ein bisschen abge- kämpœ. Es trubelt um ihn herum. Gelächter und Gesprächsfetzen wogen inWellen durch die Disco. Männer mit Bärten stecken in Sitzgruppen die Köpfe zusammen. Am Tresen fällt eine Tussi einer anderen jauchzend um den Hals. Ein Mann mit Hemd und sehr heller Haut lehnt allein an einer Säule. Eine Blonde erzählt einer anderen Blonden, sie sei in Indien im Aschram gewesen und meditiere nun jeden Tag. Ein Typ trägt seine Procam mit Stativ wie ein Zepter durch die Menge, und jemand will wis- sen, ob man an Bord Kondome kaufen kann. Während draußen die Lichter von Cartagena vo- rübergleiten und die Monarch Kurs auf Nacht- schwarz nimmt. „Insecurity is a bitch“ Auf dem Bett in der Kabine weist ein Kärtchen darauf hin, dass die Uhren heute Nacht eine Stunde vorgestellt werden. Wir werden das jetzt regelmäßig tun, alle zwei Tage, sechs Mal bis Lis- sabon, 3980 Seemeilen, 7371 Kilometer. Dass der Nomaden-Morgen früh um neun Uhr und gleich mit Arbeit beginnt, ist ein wenig er- nüchternd. Während oben am Frühstücksbu²et der Filterka²ee in Strömen ³ießt und am Pool eine dralle Animateurin Senioren den Cha-Cha- Cha nahebringt, schlappen auf Deck 7 im Schi²sbauch Flip³ops über Auslegeware in den Konferenzraum. Jeden Tag ¤nden an Bord vier Workshops statt, in englischer Sprache, von No- maden für Nomaden. Die Referenten bekom- men kein Geld dafür. Es geht ums Sharing. Wissen miteinander zu teilen gehört zum Selbst- verständnis der Community. Das ¯emenspektrum ist breit: Write Your How- To-E-Book in Two Days, How to Run Your Busi- ness From Anywhere in the World, Podcasting Like a Pro, Building Websites and Managing Your Code. Es gibt auch Beziehungsrat: Be in Control of Your Relationship, Cool Concepts to Design Re- lationships, Kontrolle und Design, und zum Ab- schluss der Kreuzfahrt How to Stop Attracting Wrong Men. Auch wenn es bis dahin für manche zu spät sein wird. Lodi Planting, der belgische Referent mit kahlem Kopf und rotblondem Bart, weiß, wie man als Freelancer erfolgreich sein kann, selbst wenn man, wie er über sich sagt, Ka²eetrinken als per- sönliche Kernkompetenz ausgemacht hat. Lodi kann gut mit Leuten. Und er kennt Leute, die für Leute, mit denen er Ka²ee trinkt, Webseiten bau- en. Lodi bringt diese Leute zusammen und koor- diniert das Ganze. Damit verdient er Geld, mal mehr, mal weniger. „Insecurity is a bitch“, sagt Lodi. Wer mit Unsicherheit nicht umgehen kann, sollte die Finger vom Freelancen lassen. Auf der Beamerleinwand zittert ein Bild, das ihn mit Te- lefon am Strand zeigt. Nur für das Foto, sagt Lodi. Er hasst telefonieren. Praktische Tipps gibt Lodi auch: wie man als Freier seine Nische ¤ndet, wie man Strukturen scha¹, die unterwegs helfen, trotz Strand und Party Dinge geregelt zu kriegen. Formuliere Jah- resziele und bilde einen „Mastermind“, einen Ar- beitskreis von Leuten, die deine Fortschritte kon- trollieren. Teile deine Zeit nach dem bekannten Pomodoro-Prinzip ein: 25 Minuten arbeiten, 5 Minuten Pause. Ganz wichtig: das „About“, die Selbstdarstellung auf deiner Webseite. All das ist nicht bahnbrechend neu, aber Lodi wirkt dabei so sympathisch, dass man direkt mit ihm einen Ka²ee … – verdammt. Millionäre sind wohl auch dabei Die Teilnehmerzahl für die Workshops ist be- grenzt. An Bord der Monarch bilden sich Grüpp- chen aus der Gruppe. Die Traveller-Nomaden liegen am Pool auf Deck 11 in der Sonne, Blogger und Freelancer, beschallt von Bruno Mars und Jamie Cullum in Dauerschleife. Tattoos, Batik und Bikinis, wir haben immer noch Karibik. Die Entrepreneur-Nomaden, die Entwickler und Un- ternehmer – darunter dem Vernehmen nach auch ein paar Millionäre –, versammeln sich auf Deck 12 im klimatisierten Waves-Club. Für Pas- sagiere mit Juniorsuite gibt es hier eine WLAN- 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176 Schriftliche Kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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