sprachreif 4, Schulbuch

96 Textbeilage 2 Digitale Nomaden: Sie nennen es Arbeit Von Karin Ceballos Betancur | 07.07.2016, editiert am 10.08.2016 Geld verdienen in der Hängematte – davon träumen doch alle. Es gibt Leute, die machen es vor: Ihr Laptop ist ihr Büro, und damit reisen sie um die Welt. Sind sie zu beneiden? Auf Kreuzfahrt mit 197 Digitalen Nomaden. Papageien schreien im Hafen von Cartagena. Das Meer ist nah, aber man kann es noch nicht riechen. Ein A²e springt durchs Unterholz, Fla- mingos stehen sich in einem Teich die Beine in ihre rosaroten Bäuche, und irgendwo dazwi- schen winden sich Schlangen, stehen schwitzen- de Menschen an zur Passkontrolle, amCheck-in- Schalter, an der Rampe zum Zoll. Koffer und Rucksäcke parken unter Palmen. Männer mit Klemmbrettern unterm Arm bemühen sich, mehr als 2.000 Passagiere zügig an Bord der Mo- narch zu lotsen, vergeblich. Die Einschiffung dauert Stunden. #livingthedream #lovetheworld #enjoylife Früher schickte die Reederei Pullmantur ihre Kreuzfahrtschi²e zu Beginn des Sommers leer über den Atlantik, von der Karibik ins Mittel- meer und im Herbst retour. Die zwölftägige Überfahrt nutzte man für Instandsetzungsarbei- ten. Mittlerweile wird die „Relocation Cruise“ zwar vermarktet, aber die Tickets sind extrem günstig. Passagiere mit Innenkabine zahlen für die Reise weniger als 300 Dollar. Rund 20 Euro pro Tag. All inclusive. Johannes Völkner hat das vor ein paar Monaten auf eine Idee gebracht – die „Nomad Cruise“. Der 33-Jährige lebt seit sechs Jahren ohne festen Wohnsitz. Er ist „digital nomad“, grob gesagt: je- mand, der zum Geldverdienen kaum mehr als seinen Laptop und eine stabile Internetverbin- dung („digital“) braucht und die damit einherge- hende Autonomie zum Reisen („nomad“) nutzt. Völkner verkauœ über einen Online-Shop¯era- piematerial für Psychologen, das geht von über- all aus. Schätzungen zufolge sind weltweit mittlerweile rund 5.000 Menschen location inde- pendent unterwegs, genaue Zahlen gibt es nicht, vielleicht sind es auch doppelt so viele. Und sie bloggen, posten, twittern darüber. #digital- nomad #workisnolongeraplace #instatravel Im Internet sieht das alles super aus Im Internet sieht dieses Leben imGrunde immer super aus: Junge Menschen liegen mit ihren Rechnern in Hängematten, arbeiten ein biss- chen, nuckeln an Strohhalmen, die in Kokosnüs- sen stecken, und stürzen sich zum Feierabend, wenn andere im Stau stehen, in malerische Bran- dungen. Wie machen die das? Sind „digital nomads“ ein- fach smarte Checker, die begri²en haben, wie das gute Leben geht? Postmoderne Hippies, die den Globus als Trampolin benutzen? Und wenn ja: Was hat der Globus davon? Kommt man überhaupt jemals an, wenn man ständig unter- wegs ist? Und ist das nur eine neue Job-Beschrei- bung oder ein Lebensgefühl? Johannes Völkner sagt, er reise vor allem, um kitesurfen zu können, dem Wetter hinterher. Endless summer 2.0. Am meisten Spaß macht das mit Gleichgesinnten. In Tarifa, Spanien, hat er eine Art Nomaden-Hub aufgebaut: Menschen reisen für ein paar Wochen an, leben zusammen, arbeiten zusammen, surfen zusammen und fei- ern zusammen, bis sich das Karussell weiter- dreht. Sie nennen es „workation“, eine Mischung aus Arbeit und Urlaub. Und was, wenn man sich dabei auch noch fort- bewegen könnte? „Traworkation“ quasi? ImNetz stieß Völkner auf die Pullmantur Cruise und postete seine Idee bei Facebook an die Commu- nity: Bucht euch Kabinen, und lasst uns zusam- men nach Südamerika fahren! Die erste Nomad Cruise verließ Las Palmas im vergangenen Okto- ber in Richtung Rio de Janeiro. Heute, ein halbes Jahr später, treten in Cartagena auch ein paar Pioniere die Rückreise nach Eu- ropa an. Man erkennt sie an der sehr braunen Haut und den blassblauen Armbändern am Handgelenk; Sonne, Salz und Sand haben die Schriœ vomGummi gefressen. Für die neue Tour 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 Schriftliche Kompetenz Semester- check Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des erlags öbv

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