sprachreif 4, Schulbuch

44 Drüben versinkt dir die Geliebte im Sand, er steigt um ihr wehendes Haar, er fällt ihr ins Wort, er be¬ehlt ihr zu schweigen, er ¬ndet sie sterblich und willig dem Abschied nach jeder Umarmung. Sieh dich nicht um. Schnür deinen Schuh. Jag die Hunde zurück. Wirf die Fische ins Meer. Lösch die Lupinen! Es kommen härtere Tage. QUELLE: Bachmann, Ingeborg: Sämtliche Gedichte. München/Berlin: Piper 2009. Lesen Sie das folgende Interview mit Peter Handke über seine Erzählung „Wunschloses Unglück“ und diskutieren Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner über den Eindruck, den man durch dieses Interview von Handke und dessen Werk erhält. Begründen Sie, ob Sie nach der Lektüre dieses Textes „Wunschloses Unglück“ lesen würden oder nicht. A22 B 12 14 16 18 20 22 24 Als Peter Handke den Selbstmord der Mutter erlebte Von Ulrich Weinzierl | 07.11.2009 1972 nahm sich seine Mutter das Leben. In der Erzählung „Wunschloses Unglück“ verarbeitete Peter Handke seine Gefühle. Im Interview mit WELT ONLINE spricht der Autor über die Sonderstellung des Werkes, geleistete Trauerarbeit und den einen oder anderen missglückten Satz. WELT ONLINE: „Wunschloses Unglück“, die Erzählung über den Selbstmord Ihrer Mutter, war eines Ihrer erfolgreichsten Bücher. Nimmt es auch für Sie, in IhremWerk, eine Sonderstellung ein? Peter Handke: Nur insofern: Hier war nichts zu er¬nden. Ich konnte nichts er¬nden. Ich war im- mer daran gewöhnt, bin es immer noch gewöhnt, weniger nachzuerzählen als vorzuerzählen. Das Nacherzählen von etwas Schrecklichem, Trauri- gem kam mir nicht statthaš vor. Es hat nicht so sehr mit meiner Mutter zu tun als mit einem sterbenden Menschen, der auf den Tod zugeht. WELT ONLINE: War das Schreiben eine Hilfe, das Ganze zu bewältigen? Handke: Ich wollte mir nicht helfen, ich wollte einfach die Geschichte, so weit sie mir noch ge- genwärtig war zwei Monate nach dem Tod, er- zählen. Es hatte auch nicht den E¯ekt der Hilfe. Ich habe nicht den mindesten Moment einer Be- ruhigung erlebt danach. Immerhin habe ich viel- leicht gedacht: Jetzt ist es getan. Das zumindest ist geschehen, das kann man nicht mehr aus der Welt scha¯en, dass diese Geschichte erzählt ist. […] WELT ONLINE: Der Titel „Wunschloses Un- glück“ ist ein ge¥ügeltes Wort geworden. Handke: Der ist gar nicht von mir. Der Abdruck im „Merkur“ hieß noch, frei nach Kant: „Interes- seloser Überdruss“. Ich fand das ein bisschen verzopš. Den Rhythmus wollte ich beibehalten und habe demVerlag einige Vorschläge gemacht. Ich glaube aber, „Wunschloses Unglück“ war eine Er¬ndung der Lektorin bei Residenz, Gertrud Frank. Im Englischen wurde dann daraus, man kann’s eigentlich nicht übersetzen, „A Sorrow Beyond Dreams“ – Kummer jenseits der Träu- me. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 Literarische Bildung 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=