sprachreif 4, Schulbuch

106 emotionalen Appell, einem Zi- tat für die Geschichtsbücher: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann; fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“ Bis heute hallt dieser Satz nach in den Ohren der Welt. Für den amerikanischen Präsi- denten ist der sommerliche Be- such in Berlin von erheblicher Bedeutung. Er will klare Signale an die Sowjetunion senden: Amerika steht an der Seite Ber- lins. Zwei Wochen vor seiner Deutschlandreise lässt Kennedy den Journalisten Robert H. Lochner nach Washington kommen. Der in Berlin-Char- lottenburg aufgewachsene Amerikaner soll ihm ein paar einfache deutsche Sätze notie- ren. Robert Kennedy, Justizmi- nister im Kabinett seines Bru- ders, hatte John F. empfohlen: „Wenn du in Deutschland sprichst, sag einen Satz auf Deutsch.“ Deshalb proben Lochner und Kennedy jetzt im Oval Office. Lochner spricht, der Präsident versucht, ihm nachzusprechen. Das Ergebnis ist desaströs. „Nicht sehr gut, oder?“, fragt Kennedy. Er kennt die Antwort selbst und verwir„ die Idee. 53 Kilometer fährt John F. Kennedy am 26. Juni 1963 durch Berlin, im Wagen beglei- ten ihn Konrad Adenauer, Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister, und Robert H. Lochner. Als sie die Treppe zum Schöneberger Rathaus empor- steigen, fasst Kennedy spontan einen folgenreichen Entschluss. Er will nun doch einen Satz auf Deutsch sagen. Bloß einen ein- zigen. Dazu muss er aber von seiner Rede ein wenig abwei- chen. Akribisch hat er sie sich auf DIN-A5-Karten schreiben lassen. Jetzt kommt noch eine Karte dazu. Mit der Notiz: „Ish bin ein Bearleener“. Kennedy schreibt es in Lautschrift auf. Noch im Büro vonWilly Brandt übt er mit Lochner die Ausspra- che. Hier geht es nicht um politische Argumentation, hier geht es um kalkulierte Emotion. Der Satz fällt. Berlin bricht in Jubel aus. „Wir haben so gebrüllt, dass die Dächer gewackelt haben“, erin- nert sich die damals 19-jährige Augenzeugin Heidrun Kotte, die mitten in der Menge stand. Kennedys Kalkül geht auf. Sein Satz sitzt. Er brennt sich in die Herzen seiner Hörer. Ein klares politisches Bekenntnis. […] QUELLE: http://www.zeit.de/2016/20/rhetorik-redner-vorbilder/seite-2 ; (abgerufen am 22.08.2017) 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 Überlegen Sie zu folgenden Themen, welche persönlichen Attribute/Expertise die Rednerin oder der Redner besitzen sollte, welche logische Argumentation vorgebracht werden sollte und welche Emotionen in der Rede angesprochen bzw. hervorgehoben werden sollten. • Thema 1: Gesamtschule bis 14 − ja oder nein? • Thema 2: Das Urheberrecht bei Büchern sollte statt nach 70 Jahren schon nach 30 Jahren erlöschen • Thema 3: Download von Filmen, Musik und Fernsehserien, ohne dafür zu bezahlen, ist nicht sinnvoll A3 Das Gelernte in eigenen Reden einsetzen Reden sollen das Publikum faszinieren, informieren, Ihre eigene Meinung argumentieren und an die Emotionen der Zuhörerinnen und Zuhörer appellieren. Dazu lohnt es sich, schon vor dem Verfassen einer Rede Ideen niederzuschreiben. Wichtig ist besonders ein aufmerksamkeitserregender Einstieg. Ähnlich dem Fischen muss zu Beginn der Rede ein Haken ausgewor- fen werden, an dem sich das Publikum hoffentlich festbeißt und Ihnen durch das geweckte Interesse aufmerksam zuhört. Das kann eine provozierende Frage, ein interessantes und wenig bekanntes Detail oder eine kontroverse Feststellung sein. Mündliche Kompetenz 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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