sprachreif 4, Schulbuch

105 Angesprochene Themen und ihre Argumentation ( Logos ) Aufkommende Emotionen, emotio- nale Wirkung der Rede ( Pathos ) Lesen Sie den folgenden gekürzten Text über emotionale Momente in politischen Reden. Fassen Sie anschließend in einem Absatz zusammen, was Sie durch die Lektüre über (politische) Reden gelernt haben. A2 Einfach überzeugen Von Andreas Sentker | 19.05.2016 Reden kann man lernen, am besten von großen Vorbildern – höchste Zeit für eine Lektion in Rhetorik. […] Hier kommt alles zusam- men, was eine historische Rede ausmacht: die Glaubwürdigkeit des Redners, die Tragkra„ sei- ner Argumente und die Gefüh- le, die er beim Publikum her- vorzurufen vermag. Die drei Säulen der Rhetorik – Ethos, Logos und Pathos – beschreibt schon der griechische Philo- soph Aristoteles im allerersten Lehrbuch der Rhetorik. Für ihn ist die Rhetorik die Kunst der Überzeugung, nicht der Über- redung. Und daher ist das Ar- gument das entscheidende rhe- torische Mittel. Aber Aristoteles weiß auch um die Macht der Gefühle und rät dem Redner, „nicht nur darauf zu sehen, dass die Rede bewei- send und überzeugend sei“, sondern auch dafür zu sorgen, „sich selbst und den Beurteiler in eine bestimmte Verfassung zu versetzen“. Dreihundert Jah- re später im politischen Macht- zentrum Roms setzt der erfah- rene Politiker und Rhetoriker Marcus Tullius Cicero deutlich unverblümter auf das Pathos: „Nichts ist in der Beredsamkeit wichtiger, als dass der Zuhörer dem Redner geneigt sei und selbst so erschüttert werde, dass er sich mehr durch einen Drang des Gemütes und durch Leiden- schaft als durch Urteil und Überlegung leiten lasse.“ Die antike Rhetoriklehre, sie wirkt bis heute fort: Ihre Regeln sind aktuell, ihre Rezepte nach wie vor alltagstauglich. Die Na- tur des Menschen hat sich in den Jahrtausenden offenbar nicht geändert. Dass sich gerade die politische Redekultur der Vereinigten Staaten so offen- sichtlich aus dem Fundus der antiken Lehrmeister bedient, hat historische Gründe. Die Rhetorik wurzelt in der Demo- kratie. Nur ein mündiges Publi- kum kann und muss vom Red- ner überzeugt werden. Und die Amerikaner haben eine deut- lich längere demokratische Tra- dition als etwa die Deutschen. Schon vor 200 Jahren durfte dort der freie Bürger das Wort ergreifen, während der deut- sche Untertan schwieg und ge- horchte. „Ish bin ein Bearleener“ steht auf einem hellblau linierten Karteikärtchen. John F. Kenne- dy, der junge amerikanische Präsident, wird diesen – eigent- lich sinnlosen – Satz am 26. Juni 1963 vor dem Schöneberger Rathaus aussprechen und damit (im selben Jahr wie King) einen weiteren Höhepunkt in der Ge- schichte der Redekunst setzen. Kennedy ist ein leidenscha„li- cher Redner und ein unverhoh- lener Bewunderer brillanter Re- den. An seiner Antrittsrede als Präsident am 20. Januar 1961 hatte er zwei lange Monate ge- feilt. Sie schloss mit einem hoch 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 Mündliche Kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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