sprachreif 3, Schulbuch

53 Die Epoche der Romantik (1795–1835) – Wie die „Romantik“ zur Romantik wurde Aus der „lingua romana rustica“, der Sprache, in der die Schriften in den romanischen Ländern verfasst wurden (im Gegensatz zur „lingua latina“, also Latein, dem Ausdrucksmittel der Kirche sowie der Wissenschaft), entwickelte sich das Adjektiv „romantisch“, was vorerst „romanhaft“, also in der „Art eines Romans“, und erst später „poetisch“ (= die Dichtkunst betreffend), „stimmungsvoll“ sowie „fantastisch“ bedeutete. Daraus wurde dann vom Dichter Friedrich Schlegel (1772–1829) der Roman- tikbegriff abgeleitet, der wiederum später als Bezeichnung für die ganze Epoche dienen sollte. Wichtig war besonders die Abwendung von klassischen und/oder antiken Vorbildern . Die romanti- schen Schriftsteller/innen lehnten die Wirklichkeit des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahr- hunderts ab und sahen die Gesellschaft geprägt vom Gewinnstreben und vom bloßen Nützlichkeits- denken des beginnenden industriellen Zeitalters. Den Naturwissenschaften wurde von den Romantikern vorgeworfen, sie würden alles mit dem Verstand erklären, alles auf seine Verwertbar- keit untersuchen und keine Geheimnisse mehr zulassen. Merkenswert: Romantik Die Romantik glaubte an die Macht des Ahnens, des Schauens und der Intuition , pries das Reich der Phantasie und des Traumes, bis hin zu den dunklen Bereichen der Seele . Die Romantikerinnen und Romantiker pflegten die abgeschlossene Welt des intakten Freundeskreises, sie verehrten und sammelten die einfache Kunst des Volkes , da sie am ursprünglichsten sei, und begeisterten sich besonders für die Schönheit und Wildheit der Natur . Der bürgerliche Alltag erschien den Romantikerinnen und Romantikern als grau, ohne Abwechslung, „prosaisch 4 “, beherrscht vom eintönigen bürgerlichen Berufsleben. Gegenüber der so gesehenen Wirklichkeit feierte die Romantik die mythische Welt der Religion und sah im Mittelalter die ideale Zeit der Geschichte, da damals die Menschen im christlichen Glauben geeint schienen. 4 sachlich, nüchtern, ohne Sinn für Poesie Ein romantisches Paradebeispiel: Joseph von Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts Diese 1826 veröffentlichte romantische Novelle erzählt die Geschichte eines Müllersohnes, der von seinem Vater „Taugenichts“ genannt wird. Der epische Text enthält viele Lieder und Gedichte, die ihn bereichern. Eichendorff stellt in seiner Novelle zwei Arten von Existenzen gegenüber: das bürgerlich- sesshafte Leben versus das abenteuerlich-freie, romantische Künstlerdasein. Hier ist es der Tauge- nichts, der sich in die vermeintliche Tochter eines Grafen verliebt und diese nach einigen auch im Ausland bestandenen Abenteuern heiraten darf. Der Müllersohn erzählt in der Ich-Form aus seiner positiven, romantischen Einstellung heraus von schönen Erlebnissen, Freundschaft und Liebe. Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts 1. Kapitel Das Rad an meines Vaters Mühle brauste und rauschte schon wieder recht lustig, der Schnee tröpfelte emsig vom Dache, die Sperlinge zwit- scherten und tummelten sich dazwischen; ich saß auf der Türschwelle und wischte mir den Schlaf aus den Augen; mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenscheine. Da trat der Vater aus demHause; er hatte schon seit Tagesanbruch in der Mühle rumort und die Schlafmütze schief 2 4 6 8 10 Literarische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Ve lags öbv

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