sprachreif 3, Schulbuch

48 Ein Plädoyer zu Beginn der Winterzeit: Nutze die Nacht! Von Lioba Lepping | 24.10.2014 Die Nacht ist mehr als die unvermeidliche Kehrseite des Tages. Mehr als ein notwendiges Übel, sondern ein Wert an sich. Sie ist Ruhe-Insel nach einem turbulenten Tages-Slalom. Ein Lob auf die Nacht zum Beginn der Winterzeit. Endlich: Die Nacht wird wieder länger. Am Wochenende – dank Zeitumstellung – erstmals deutlich spürbar, dann bis zum kürzesten Tag des Jahres am 21. Dezember, langsam, aber sicher. Endlich kön- nen wir nach der Arbeit einfach nach Hause gehen und uns einen Tee kochen. Kein Draußen-Aktions-Zwang mehr, weil die Sonne ja so schön scheint. Wir können nach Herzenslust auf dem Sofa gam- meln, ohne uns rechtfertigen zu müssen. Endlich keine Gute-Lau- ne-Pflicht mehr, weil die Sonne da ist. Die Nacht beginnt so früh, dass wir uns endlich getrost unspektakulären Zeitvertreiben wie Wollsocken häkeln oder „die Wohnung gemütlich machen“ widmen können. Ganz ohne schlechtes Gewissen. Herrlich! Die Nacht ist viel mehr als die unvermeidliche Kehrseite des Tages. Mehr als ein notwendiges Übel, sondern ein Wert an sich. Sie ist Ruhe-Insel nach einem turbulenten Tages-Slalom, kann Ausruhzeit nach dem hektischen Hin-und-Her des Alltags sein. Wenn wir sie nur lassen würden. Denn die Nacht ist in Gefahr. Organisationen wie die International Dark Sky Association (IDA) aus den USA oder der Forschungsverbund „Verlust der Nacht“, der aus Wissenschaftlern der TU Berlin besteht, haben es sich zum Ziel gesetzt, die Dunkelheit zu schützen und zu bewahren. Ökonomen machen auf die Licht- und Energieverschwendung aufmerksam, Bio- logen auf die negativen Folgen des künstlichen Lichts auf nachtaktive Tiere, aber auch den Menschen. Denn seit der Erfindung des künst- lichen Lichts gegen Ende des 19. Jahrhunderts befinden wir uns in einem andauernden Dämmerzustand. Waren unsere Vorfahren noch einem deutlichen Helligkeitsunterschied von mehr als 100000 Lux am Tag gegenüber weniger als einem Lux bei Nacht ausgesetzt, so sind die Gegensätze für uns heute deutlich geringer: Die Lichtinten- sität in Büros liegt bei 500 Lux, nachts liegt sie dank künstlicher Be- leuchtung im öffentlichen Raum bei circa 10 Lux. Dank flächen- deckender künstlicher Beleuchtung haben wir die Nacht zum Tag gemacht, können rund um die Uhr arbeiten, konsumieren, mobil sein. Schlafen ist nur eine von vielen Optionen. Doch dies entspricht dem Rhythmus unserer inneren Uhr am ehesten. Sobald es dunkel wird, wird das Hormon Melatonin gebildet, das uns sanft zur Ruhe kommen lässt. Es sei denn, das künstliche Licht, das von der Straße in unser Schlafzimmer dringt, hindert uns daran, die Nachtruhe zu finden. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 Eine Textanalyse schreiben Schritt 1: Planen Schriftliche Kompetenz 2  Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=