sprachreif 3, Schulbuch

117 nennt man den Ausgleich der Interessen. Von beiden Institutionen werden hohe Steuern gefor- dert, und muss der Konsument sie auch bezah- len. Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsys- tem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andere werde gepumptes Geld zurückzah- len. Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. „Stüt- zungsaktion“ 7 , bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen. Solche Pleite erkennt man daran, dass die Bevölkerung aufgefordert wird, Ver- trauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr. Wenn die Unternehmer alles Geld im Ausland untergebracht haben, nennt man dieses den Ernst der Lage. Geordnete Staatswesen werden mit einer solchen Lage leicht fertig; das ist bei ihnen nicht so wie in den kleinen Raubstaaten, wo Scharen von Briganten die notleidende Be- völkerung aussaugen. Auch die Aktiengesell- schaften sind ein wichtiger Bestandteil der Na- tionalökonomie. Der Aktionär hat zweierlei wichtige Rechte: er ist der, wo das Geld gibt, 8 und er darf bei der Generalversammlung in die Op- position 9 gehen und etwas zu Protokoll geben, woraus sich der Vorstand einen sog. Sonnabend macht. Die Aktiengesellschaften sind für das Wirtschaftsleben unerlässlich: stellen sie doch die Vorzugsaktien und die Aufsichtsratsstellen 10 her. Denn jede Aktiengesellschaft hat einen Auf- sichtsrat, der rät, was er eigentlich beaufsichti- gen soll. Die Aktiengesellschaft haftet dem Auf- sichtsrat für pünktliche Zahlung der Tantiemen . Diejenigen Ausreden, in denen gesagt ist, wa- rum A.-G. keine Steuern bezahlen kann, werden in einer sog. „Bilanz“ zusammengestellt. Die Wirtschaft wäre keine Wirtschaft, wenn wir die Börse nicht hätten. Die Börse dient dazu, ei- ner Reihe aufgeregter Herren den Spielklub und das Restaurant zu ersetzen. Die Börse sieht jeden Mittag die Weltlage an: dies richtet sich nach dem Weitblick der Bankdirektoren, welche je- doch meist nur bis zu ihrer eigenen Nasenspitze sehn. Schreien die Leute auf der Börse außerge- wöhnlich viel, so nennt man das: die Börse ist fest. In diesem Fall kommt – am nächsten Tage – das Publikum gelaufen und engagiert sich, nach- dem bereits das Beste wegverdient ist. Ist die Börse schwach, so ist das Publikum allemal da- bei. Dieses nennt man Dienst am Kunden. Die Börse erfüllt eine wirtschaftliche Funktion: ohne sie verbreiteten sich neue Witze wesentlich lang- samer. In der Wirtschaft gibt es auch noch kleinere An- gestellte und Arbeiter, doch sind solche von der neuenTheorie längst fallengelassen worden. Zu- sammenfassend kann gesagt werden: die Natio- nalökonomie ist die Metaphysik des Pokerspie- lers. Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben, und füge noch hinzu, dass sie so gegeben sind wie alle Waren, Verträge, Zah- lungen, Wechselunterschriften und sämtliche anderen Handelsverpflichtungen – : also ohne jedes Obligo . 1 Vorstellung 2 Staat besitzt ausreichend Gold, um für das Vermögen der Bürger zu haften 3 kurzzeitiger Kredit, der gegen ein Pfand gewährt wird 4 Unternehmer müssen zumindest mit dem Verkauf von Waren einnehmen, was sie dafür ausgegeben haben 5 Ausfuhr von Waren 6 Zölle, die den Kauf einheimischer Produkte unterstützen und so gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen 7 unterstützende Gelder zur Sicherstellung, dass verschuldete Staaten oder Unternehmen nicht Konkurs gehen 8 Aktionäre kaufen Anteile an einem Unternehmen, das dafür dann neues Geld zur Verfügung hat 9 gegnerische Stellung 10 Kontrollorgan in einem Unternehmen QUELLE: http://gutenberg.spiegel.de/buch/16-satiren-7810/8 ; (abgerufen am 22.05.2016, an neue Rechtschreibung angepasst) Recherchieren Sie mithilfe eines Wörterbuchs oder des Internets, was die fett gedruckten Begriffe im Text bedeuten. Zwischenstopp Sie sollten nun folgende Teilkompetenzen erworben haben: • verschiedene Funktionen von Texten erklären und bestimmen können • den Begriff Hermeneutik verstehen und Texte auf unterschiedliche Aspekte hin untersuchen können • über die (Un-)Eindeutigkeit von Texten sprechen können A15  Ó 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 Merkenswert: Satire Die Satire ist eine Textform, in der Situationen, Umstände oder Personen auf den Arm genom- men bzw. in übertriebener Form dargestellt werden. Die ironisch gemeinten Texte dienen hauptsächlich der Unterhaltung, können aber auch gesellschafts- kritisch sein. Text- kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eig entum des V rlags öbv

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