sprachreif 3, Schulbuch

106 Trend zu Schule ohne Schulglocke DiePresse.com | 15.01.2014 In Wien verzichtet bereits ein Drittel der höheren Schulen auf die Pausenglocke. Der pädagogische Nutzen ist aber umstritten. Wenn die Schulglocke schrillt, schneidet sie oft jemandem das Wort ab. Die letzte Anweisung oder Erklärung des Lehrers wird damit ebenso erstickt wie die letzte Schülerfrage. Weshalb immer mehr Schulen das schrille Klingeln aus ihren Gebäuden verbannen – auf Probe oder für immer. In Wien verzichtet schon ein Drittel der AHS und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) auf die Schulglocke, berichtete der ORF am Mittwoch. Auch in anderen Bundesländern wie der Steiermark gibt es vor allem an Volksschulen einen Trend zur Demontage der Glocke. Der pädagogische Nutzen der Maßnahme, über die Schulen autonom entscheiden, ist jedoch umstritten. An der AHS in der Maroltingergasse (Wien-Ot- takring) wurde die Glocke im Dezember defekt, seither wird darauf verzichtet. Die Folge laut Di- rektor Meinhard Trummer: Es gehe in den Pau- sen insgesamt „einfach weniger aufgeregt“ zu. Im Gymnasium in der Gottschalkgasse wurde die Glocke hingegen laut Bericht nach einer Test- phase wieder in Betrieb genommen. Die Wiener Schulpsychologin Mathilde Zeman sieht einer- seits die Chance, dass soziale Regeln stärker zum Zug kommen könnten, indem der Lehrer und nicht das Glockenschrillen die Stunde beendet. Bei fehlender Disziplin könnten jedoch Schul- stunden leicht überzogen werden und sich dann Pausen und Stunden zusammenstauen. Geblockte Stunden, individuelle Pausen In den übrigen Bundesländern ist die Situation – auch je nach Schultyp – unterschiedlich. Vor allem aus dem Volksschulbereich wird über den Verzicht auf die Glocke berichtet: So ist es in der Steiermark schon jetzt an vielen, meist re- formpädagogischen Schulen üblich, Stunden zu blocken oder die Pausen individuell zu gestalten. Auch immer mehr Neue Mittelschulen (NMS) kommen ohne Schulglocke aus, an weiterführen- den Schulen ist das wiederum kaumThema. Für Niederösterreich gibt es mangels Melde- pflicht keine Schätzungen, ob und wie viele Schulen auf die Glocke verzichten. In der schul­ psychologischen Abteilung wird allerdings der pädagogische Nutzen dieser Maßnahme eben- falls infrage gestellt. In Vorarlberg gibt es laut Landesschulrat einige Volksschulen, an denen „nicht mehr strikt in 50-Minuten-Einheiten ge- dacht wird“ und wo die Glocke nicht nach jeder Stunde, sondern etwa nur zu Beginn und am Ende des Schultags läutet. Dazu kämen einige wenige höhere Schulen, die auf das Läuten ver- zichten. Nur eine Kärntner Schule ohne Glocke In Kärnten gibt es mit der Waldorfschule in Kla- genfurt zwar nur einen Standort, an dem es nicht zur Pause und zur Stunde läutet. Landesschul- ratspräsident Rudolf Altersberger (SPÖ) berich- tet allerdings, dass einige weitere Schulen die Glocke verstummen lassen wollten. Sie seien al- lerdings daran gescheitert, dass sie sich mit ande- ren Schulen ein Gebäude teilen, diese aber nicht mitziehen wollten. Er selbst würde das Abschaf- fen des Läutens unterstützen. „Es entspricht nicht mehr offenen Lernformen und demAppell an mehr Eigenverantwortung, da wird es als Ein­ engung gesehen.“ In Oberösterreich gibt es zwar ebenfalls Schulen ohne Glocke, berichtet Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer (ÖVP). Die Begründungen sei- en allerdings unterschiedlich. So mache das Läu- ten etwa an einer dreiklassigen Volksschule ein- fach nicht viel Sinn. Organisatorisch werde der Verzicht auf die Glocke umso komplizierter, je größer der Standort ist. Für ihn ist das Läuten ein Zeichen zur Orientierung, das es auch imThea- ter gebe. Mit einer Flexibilisierung der Stunden- tafel habe es per se hingegen nichts zu tun. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 Schriftliche Kompetenz Semester- check Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=