sprachreif 2, Schulbuch
90 Schlange stehen, um sich für Hunderte von Euro digitale Buch-Anzeiger zu kaufen. Folg- lich werden sie auch nicht an- fangen, in Scharen illegale Digi- talkopien von Büchern aus dem Netz herunterzuladen − dieses Schicksal droht höchstens den Hörverlagen. Doch selbst der Umsatz mit Hörbuch-Down- loads ist im ersten Halbjahr 2008 um zwölf Prozent gestie- gen. Es gibt ein paar entscheiden- de Unterschiede zwischen Bü- chern und Platten, die viele Be- obachter aus lauter Angst vor demWandel aus dem Blick ver- loren zu haben scheinen. Der wichtigste ist: Bücher kamen bislang ganz gut ohne Abspiel- geräte aus. Im Gegensatz zu Musik und Filmen: Seit diese als Konsumgüter für den Hausge- brauch existieren, sind Men- schen auch bereit gewesen, für die entsprechenden Maschinen zu bezahlen. Seit Grammophon und Dampfradio ist anerkannt: Wer zu Hause Musik hören will, muss entweder selbst singen oder Geld für Unterhaltungs- elektronik ausgeben. Für MP3-Player gilt dasselbe Prinzip: Mit dem Walkman wurde schon Ende der Siebziger das Konzept eines tragbaren, statussymboltauglichen Musik- spielers eingeführt. Dann kam der iPod und bot sogar die Möglichkeit, auf ziemlich einfa- che Weise sämtliche Musiktitel mitzunehmen, die man bereits gekauft und bezahlt hatte − in- dem man seine CDs in den Rechner schob und Dateien da- raus machte. Digitale Zweitver- wertung. Die wahre Bedrohung für das Buch sind Handys E-Reader haben den Vorteil ei- ner historisch gewachsenen Ge- wohnheit nicht. Und man kann auch nicht seine Büchersamm- lung digitalisieren und dann endlich all die Titel in den Ur- laub mitnehmen, die man schon immer mal lesen wollte. Was schade ist, denn das wäre wirklich mal ein Mehrwert. E-Reader sind für den po- tentiellen Kunden vor allem eins: eine Investition. Teure Ge- räte, die eine Funktion erfüllen, ohne die man bislang gut leben konnte. Gefährlich wird es fürs gedruckte Buch erst dann, wenn aus Handys oder Mini-Note- books wirklich tragbare Multi- Medien-Spieler geworden sind, faltbar, mit wochenlanger Ak- kulaufzeit und überragenden Displays. Wenn Bücherlesen ein Abfallprodukt wird, bequemer Bonusnutzen eines Gerätes, das man ohnehin besitzt. Erst dann werden auch Raubkopien, Abo- Modelle und Buch-Flatrates ernsthaft diskutiert werden müssen. Der Nutzen von Kindle und Co. besteht derzeit vor allem darin, dass sie Platz sparen − mit entsprechender Speicher- karte aufgebohrt kann so ein notizblockkleines Gerät ganze Bibliotheken reisefertig ma- chen. Aber wer braucht das? Wer würde dafür zahlen? Zu- mal auch E-Bücher der Buch- preisbindung unterliegen wer- den. Nur echte Bücher überstehen Sand, Meerwasser und Eiscreme Nur Vielleser − und zwar sol- che, die viel unterwegs sind. Fahrende Literaturkritiker viel- leicht. Mobile Lektoren. Aber ob gerade die aufs Papier ver- zichten wollen? Studenten unter Umständen − für die Lesegeräte wiederum den Nachteil haben, dass man in elektronischen Bü- chern weder Passagen anstrei- chen noch Seiten mit Klebezet- telchen markieren kann. Für alle anderen lohnt sich so ein Ding höchstens für den Urlaub − aber am Strand sind E-Reader auch wieder fehl am Platz, wäh- rend Bücher Sand, Meerwasser und Eiscreme klaglos aushalten. Und selten geklaut werden. Das Buch hat noch ein lan- ges Leben vor sich. Nicht nur, wie in diesen Tagen vielerorts zu lesen ist, weil Papier so schön raschelt, nicht wegen Gold- schnitt, Ledereinbänden, char- manten Buchhändlerinnen und haptischen Qualitäten. Sondern weil es keinen Strom braucht, nicht kaputtgeht, wenig kostet, einfach zu bedienen ist - und ohne Hilfsmittel perfekt funk- tioniert. QUELLE: http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/medienwandel-warum-e-reader-das-buch-nicht-verdraengen-werden-a-584306.html ; (abgerufen am 17.11.2015) 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188 190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216 218 220 222 224 226 228 230 232 234 236 238 240 242 Mediale Bildung 3 Nur zu Prüfzwecken – E igentum des Verlags öbv
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