sprachreif 2, Schulbuch

89 Medienwandel: Warum E-Reader das Buch nicht verdrängen werden Von Christian Stöcker | 15.10.2008 Schreckgespenst Digitalisierung: Zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse geht in der Branche die Angst vor elektronischen Lesegeräten um. Werden E-Reader das Papier verdrängen wie MP3s die LP? Die Sorge ist unbegründet − zwischen Büchern und Platten gibt es einen entscheidenden Unterschied. Hamburg − Liest man die vielen Artikel, die zur Frankfurter Buchmesse 2008 erschienen sind, scheint eines fast gewiss: Das Buch, das gute alte Bündel Papier mit Buchstaben und Ein- band, ist ein Auslaufmodell. Es wird darüber gesprochen und geschrieben wie über einen lie- ben alten Verwandten, der eine schmerzlose, aber unheilbare Krankheit hat – man wünscht ihm ein möglichst langes Rest- leben, auf mehr aber hofft man nicht. Die Familie ist traurig, aber gefasst. „Gefasst“ − dieser Ausdruck trifft sie aktuelle Situation recht genau, denn die Branche hat im vergangenen Jahr 3,4 Prozent mehr Umsatz gemacht und auch im krisengebeutelten 2008 noch mal 1,4 Prozent mehr - bis September, also noch ohne Weihnachtsgeschäft. Aber: „Den sich abzeich- nenden Boom des E-Books, Ge- sprächsthema Nummer eins der Messe, beobachten die Buch- händler mit Sorge, die Verleger immerhin mit gemischten Ge- fühlen.“ So steht es in der über jeden Panikmache-Verdacht erhabenen „Neuen Zürcher Zeitung“. Die vermeintliche Be- drohung der guten alten Bü- cherwelt durch die Digitalisie- r u n g b e h e r r s c h t d i e Berichterstattung über die Buchmesse − der Leitartikel der „Süddeutschen Zeitung“ vom Mittwoch ist überschrieben mit „Leser und Lesegeräte“, darun- ter ist von „Entstofflichung“ die Rede. Der Literaturagent Mi- chael Gaeb sagte dem Kultur- SPIEGEL, das E-Book werde „das gedruckte Buch zwar nicht abschaffen, aber in vielen Teilen ersetzen“. Buchmesse-Direktor Juer- gen Boos wies bei der Eröffnung der Mammut-Veranstaltung am Mittwoch in Frankfurt amMain eigens darauf hin, dass „30 Pro- zent der auf der Messe ausge- stellten Produkte“ bereits jetzt „digital“ seien. Dadurch könnte der Eindruck entstehen, an den Messeständen stünden nun be- tongraue Ladestationen herum, in die man nur noch ein Lesege- rät einzustöpseln braucht, um sich das aktuelle Verlagspro- gramm herunterzuladen. Doch die digitalen Produk- te, von denen Boos da sprach, sind mehrheitlich Silberschei- ben: CDs mit Vorgelesenem, CDs mit Wörterbüchern, DVDs mit dem Film zum Buch. Allein 2007 wurden in Deutschland 200 Millionen Euro mit Hörbü- chern umgesetzt. Vermutlich sind auf der Messe auch ein paar elektroni- sche Wörterbücher zu finden und Lernsoftware für Kinder. Textdateien dagegen dürften auch 2008 einen verschwindend geringen Teil des Angebots aus- machen. Die machen sich ja auch so schlecht im Regal. Au- ßerdem gibt es noch kaum Le- segeräte dafür − die bislang er- hä lt l i chen st ammen von Nischenanbietern und sind zu- dem teuer. Wann Amazons E- Buch namens Kindle in Europa auf den Markt kommt, ist nach wie vor unbekannt, Sonys Lese- gerät PRS-505 soll erst Anfang 2009 in den Läden liegen. Trotzdem: Die Angst vor dem Reader geht um. „Wenn er aber kommt?“, scheint derzeit, wie im alten Kinderspiel vom „Schwarzen Mann“, das Mantra der Verlage und vor allem der verängstigten Buchhändler zu sein. Begrün- det wird die Sorge stets nach dem gleichen Muster: Auch in der Musik- und Filmbranche habe der Umbruch von analo- gen zu digitalen Darreichungs- formen katastrophale Auswir- kungen gehabt. Der Wandel werde die Buchbranche nun verzögert, aber mit ähnlicher Wucht treffen. Seine Bibliothek kann man nicht digitalisieren Genau das aber wird nicht pas- sieren. Die Menschen werden nicht vor Elektronikmärkten 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 Mediale Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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