sprachreif 2, Schulbuch

85 laufen im Lande umher gebraten. Jedes hat ein Messer im Rück’; damit schneid’t man sich ab ein Stück und steckt das Messer wieder hinein. Käse liegen umher wie die Stein. Ganz bequem haben’s die Bauern; sie wachsen auf Bäumen, an den Mauern; sind sie zeitig, so fallen sie ab, jeder in ein Paar Stiefel herab. Auch ist ein Jungbrunn in dem Land; mit dem ist es also bewandt: wer da häßlich ist oder alt, der badet sich jung und wohlgestalt’ Bei den Leuten sind allein gelitten mühelose, bequeme Sitten. So zum Ziel schießen die Gäst’, wer am meisten fehlt, gewinnt das Best; im Laufe gewinnt der Letzte allein; das Schlafrocktragen ist allgemein, Auch ist im Lande gut Geld gewinnen: wer Tag und Nacht schläft darinnen, dem gibt man für die Stund’ einen Gulden; wer wacker und fleißig ist, macht Schulden. QUELLE: http://gutenberg.spiegel.de/buch/hans-sachs-gedichte-5222/3 ; (abgerufen am 25.07.2015) Überlegen Sie, was der Zweck einer solchen Darstellung sein könnte. Formulieren Sie die von Ihnen vermutete Intention des Autors in vier bis fünf Sätzen. Erasmus von Rotterdam – ein Humanist Erasmus von Rotterdam war Augustinermönch und daher von den Entwicklungen des Humanismus in Bezug auf die Kirche stark beeinflusst. Er stellte sich gegen die Spaltung der Kirche und daher auch gegen Martin Luther und dessen Thesen. Als Gelehrter war er mit seinen vielen einflussreichen Werken und Texten einer der wichtigsten Vertreter des Humanismus. Im folgenden Textauszug tritt die Torheit als Erzähler auf und spricht über sich selbst. Es ist eine ironisch gemeinte Lobrede, die die Menschen vor Torheit warnen soll. Unterstreichen Sie die Textstellen, die ironisch gemeint sein könnten. Diskutieren Sie in Partnerarbeit folgende Frage: Was kann die Leserin/der Leser hier lernen? Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit (1511) Eine Stilübung des Erasmus von Rotterdam Die Torheit tritt auf und spricht: Mögen die Menschen in aller Welt von mir sa- gen, was sie wollen – weiß ich doch, wie übel von der Torheit auch die ärgsten Toren reden –, es bleibt dabei: mir, ja mir allein und meiner Kraft haben es Götter und Menschen zu danken, wenn sie heiter und frohgemut sind. Das beweist ihr selber schon zur Genüge; denn sowie ich vor eure große Gemeinde trat, ging augenblicklich über jedes Gesicht ein ganz ungewöhnlicher, überraschender Schein, munter schnellten die Köpfe empor, und ein so ungehemmtes helles Gelächter schallte mir entgegen, daß mich wahr- haftig deucht, es sei euch allen, die ich von nah und fern versammelt sehe, homerischer 1 Götter- wein, gewürzt mit Vergißdasleid, zu Kopfe ge- stiegen, und saßet doch vorher so bedrückt und verängstigt da, als kämet ihr eben aus des Tro- phonius 2 Höhle. Aber, wie es allemal der Welt im Frühling geht – sobald die Sonne ihr schönes goldenes Antlitz der Erde wieder enthüllt oder nach dem bösen Winter der neue Lenz 3 mit schmeichelndem Zephyr 4 die Fluren fächelt, steht über Nacht die ganze Natur in neuem Ge- wande, in neuen Farben, in neuer Jugend da –, so hat sich im Nu, sobald ich mich blicken ließ, euer ganzes Wesen verwandelt, und was gewieg- te Redner mit einer langen und wohlstudierten A22 A23 A24 B 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Literarische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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