Zeichen 4, Schulbuch
69 zeichen. Auch die Schnörksel auf den senkrechten Trennleisten sind eine Inschrift. Sie sind allerdings sehr schwer lesbar und erinnern eher an eine Geheimschrift. Expertinnen und Experten haben sie entziffert. Sie enthal- ten die einzigen Hinweise auf den Künstler, der den berühmten Altar gemalt haben könnte: „Lukas Moser, Maler von Wil, Meister des Werks, bitt Gott für ihn.“ Der Text auf der linken Leiste beklagt, dass niemand mehr sich für die Kunst interessiere und schließt mit der Jahreszahl 1432. Die Texte sind in mittelhochdeutscher Sprache geschrieben. Manche For- scherinnen und Forscher halten diese Inschriften für eine Fälschung. Ein Maler mit dem Namen Lukas Moser ist sonst nirgendwo erwähnt, und wir kennen auch kein weiteres Werk, das in der gleichen Art und möglicher- weise vom gleichen Künstler gemalt wurde. Malerei und Technik Die Bilder des Magdalenenaltars sind in einer sehr aufwendigen Technik gearbeitet. Diese wird auch die „Technik der alten Meister“ genannt. Holzbretter wurden zu dünnen Tafeln verleimt, die in der Werkstatt des Malers noch zusätzlich einen Überzug aus Pergament erhielten. Dadurch entstand eine besonders glatte Oberfläche und die Gefahr, dass später Risse auftreten, konnte vermieden werden. Über einer Grundierung wurden dann die Farben in mehreren dünnen Schichten aufgetragen, sodass tiefer liegende Farbtöne durch die Übermalungen durchscheinen. Moderne Flügelaltäre Das Schema eines Flügelaltars, ein Mittelbild mit angefügten Seitentafeln, wurde auch in späteren Jahrhunderten und nicht nur in der religiösen Kunst weiter verwendet. Ein Beispiel ist der „Flügelalter“ Keith Harings (vgl. Zeichen 2: Ich male hier nur). Haring ver- zichtete bei diesem, seinem letzten Werk auf Farbe und setzte seine Zei- chen in vergoldete Bronze (Abb. 17). Er erreichte damit eine strahlende und zugleich mystische Wirkung. Technik und Wirkung Um das Wasser des Meeres besonders klar, durchsichtig und glänzend darzustellen, hat Lukas Moser unter den Farbschichten zusätzlich eine Folie aus Zinn angebracht. Goldblech, das zu hauchdünnen Blättern gehämmert wurde (0,00014–0,00011 mm dünn!) überzieht die Flächen des Himmels und der Heiligenscheine. Die meisten Farben waren im Mittelalter selten und teuer. Um ein dunkles und intensives Blau zu gewinnen, wurden Halbedelsteine zu Pulver zerstoßen. Da das Rohmaterial Lapislazuli aus fernen Ländern importiert werden musste, nannte man die Farbe Ultramarin, das heißt „(von) jenseits des Meeres“. Das Farbpulver musste noch mit Substanzen vermischt werden, die es vermalbar machten und dafür sorgten, dass die Farbschichten auf dem Bildgrund hafteten. Dazu verwendete man Eier, mageren Topfen und Öle. Verändere eine Geschichte, die du kennst, indem du sie in eine andere Zeit versetzt, neue Ereignisse einbaust oder ein anderes Ende erfindest. Stelle einzelne Szenen daraus in Zeichnungen oder Malereien dar. Wodurch könntest du deine Bilder besonders interessant machen? Gibt es an deinem Wohnort oder in der näheren Umgebung Bilder aus dem Mittelalter, die du untersuchen könntest? 17 Keith Haring: „Altar“, Tafeln aus Bronze, mit Blattgold belegt, 1990 18 Magdalenenaltar von Tiefenbronn: Schiffe auf dem Meer, Hintergrund der linken Tafel des Mittelfeldes 19 Lapislazuli-Kristalle, das Rohmaterial für das Pigment Ultramarin. Afghanistan, 2008 v.Chr. 0 500 1000 1500 heute 1432, Magdalenenaltar von Tiefenbronn Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=