Zeichen 4, Schulbuch
64 Bilder beschreiben Es ist nicht immer leicht, den Sinn alter Bilder zu ver- stehen. Das gilt aber nicht nur für uns. Auch die Menschen des späten Mittelalters hätten sie ohne Erklärungen und ohne das Basiswissen, das ihnen durch die Predigten in der Kirche vermittelt wurde, nicht verstan- den. Wenn wir ein ungewohntes Bild untersuchen, sollten wir erst einmal genau hinschauen und genau beschreiben, was zu sehen ist. Wir machen eine Bestandsaufnahme: Ein Gastmal (Abb. 5) Vier Menschen sitzen an einem gedeckten Tisch. Eine Frau bedient sie. Eine zweite Frau kniet vor dem Tisch und berührt mit ihren Haaren den rechten Fuß eines der sitzenden Männer. Hinter der sitzenden Gruppe ist eine Weinlaube zu erkennen, der Rest des Hinter- grundes ist vergoldet. Das Bild zeigt nur einen Ausschnitt. Auf dem Gesamtbild (vgl. Abb. 3, S. 63) ist auch noch ein kleiner weißer Hund zu sehen, der links neben dem Tisch auf dem dunkelgrünen Boden liegt. Ein Wasserschaff, einige Krüge und ein Traggestell stehen auf der anderen Seite. Auf diesem und auch auf den nächsten Bildern sind die Köpfe ein- zelner Personen durch goldene Kreisflächen hervorgehoben. Was dieses Bild bedeutet, erzählt uns die Bibel (Lk 7, 36-50): Christus und sein Freund Lazarus sind im Haus des reichen Ratsherren Simon zum Die Klugen und die Dummen Die Bilder auf der Predella erzählen von zehn Mäd- chen, die zu einer Hochzeit eingeladen sind. Sie müssen lange auf den Beginn des Festes warten. Fünf von ihnen schlafen ein und vergessen, rechtzeitig das Öl in ihren Lampen nachzufüllen. Am Ende dürfen sie den Saal nicht betreten und versäumen das Fest. Auf dem Altarbild wurde die Figur des Bräutigams aus der biblischen Geschichte durch die Gestalt des leidenden Christus mit der Dornenkrone ersetzt. Dadurch sollte die eigentliche Botschaft der Erzählung verdeutlicht werden: Nur wer durch eine gute (christliche) Lebens- führung stets darauf vorbereitet ist, wird Einlass in den Himmel finden. Schriftbänder verkünden in lateinischer Sprache zur einen Seite: „Kommt mit mir“, zur anderen: „Ich kenne euch nicht“. Sie erfüllten damit einen ähnlichen Zweck wie die Sprechblasen moderner Comics. Die Scheiben oder Kreise hinter einzelnen Köpfen wurden ursprünglich dazu verwen- det, besonders wichtige Personen, zum Beispiel einen Herrscher, in einem Bild hervorzuheben. Das Christentum über- nahm diese Bildzeichen, um die Haupt- personen einer religiösen Darstellung, Christus oder Heilige, zu kennzeichnen. 4 „Die klugen und die törichten Jungfrauen“, Bildausschnitte von der Predella des Magdalenenaltars 5 Das Gastmahl Simons und die Fußwaschung, Lunette des Magdalenenaltars, Ausschnitt Der Altar von Tiefenbronn Bestseller und neue Medien Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=