Zeichen 4, Schulbuch

60 18  Baldassare Peruzzi: Salone delle Prospettive in der Villa Farnesina, Rom, 1517/18 Saal der Perspektiven  Die Säulenstellungen und der Ausblick auf Stadt und Landschaft sind gemalt (Abb. 18). Der Effekt ist so überzeugend, dass Besucherinnen und Besucher dieses Saales einen Moment lang tatsächlich kaum zwischen realer Architektur und gemalter Täuschung unterscheiden können. Der Trick funktioniert allerdings nur von einem be-stimmten Punkt des Raumes aus. Es ist jener Ort, den der Künstler als Augpunkt seiner Per- spektive festgelegt hat. Baldassare Peruzzi (1481–1536), der Architekt der Villa Farnesina in Rom, hat auch die Malereien dieses „Saales der Perspek- tiven“ entworfen und gemeinsammit Mitarbeitern seiner Werkstatt ausge- führt. Illusionsmalerei  In den Epochen der Hoch renaissance , des Manierismus und des Barock wurden die verblüffenden illusionistischen Effekte der Perspektive besonders geschätzt (Abb. 18). Es ent- standen Räume, die durch malerische Mittel scheinbar vergrößert oder nach außen geöffnet wurden (vgl. auch Zeichen 3: Weltreise im Stiegenhaus). Mit dem Beginn der Moderne verlor die Perspektive in der Malerei an Bedeutung. Die Vorstellung, ein Bild sei eine Art Fens- ter, durch das man in eine vorgetäuschte Wirklichkeit blicken könne, wurde durch einen anderen Gedanken verdrängt: Bilder sind eigenständige Objekte, die ihre eigenen Gestaltungsgesetze haben. Sie dienen nicht in erster Linie dazu, Bestehendes abzubilden oder zu simulieren. Sie sollen vielmehr helfen, hinter die sichtbare Oberfläche zu blicken und neue Gedanken und Fragen auszu- lösen. Natürlich hat auch ältere Kunst diese Funktion schon erfüllt. Aber so ähnlich wie in der Zeit vor der Renaissance haben viele Kunstschaffende auch in der Moderne die illusionistische Perspektive als eher hinderlich empfunden. Dennoch gab es auch im 20. Jahrhundert Malerinnen und Maler, die Perspektive als Gestaltungsmittel eingesetzt haben. Oft ging es dabei um die Möglichkeit, durch nicht exaktes Einhalten der Per- spektiv gesetze besondere Wirkungen zu erreichen (vgl. Zeichen 4: Ein Bilderrätsel). Architekturzeichnung  Es war wohl kein Zufall, dass Filippo Brunelleschi, der Entdecker der Perspektiv gesetze, auch Architekt war. Er war es, dem es gelang, eine Lösung für die Einwölbung der riesigen Domkuppel von Florenz zu finden. Diese Leistung machte ihn weltberühmt. Möglicherweise waren es die Vorarbeiten zu diesem Bauprojekt, die ihm die entscheidenden Hinweise auf die Regeln der korrekten perspekti- vischen Abbildung eines Gebäudes verschafften. Auf jeden Fall war die neue Technik für Architekten ein wertvolles Hilfsmittel. Bis heute wird sie verwendet, um architektonische Entwürfe anschau- lich darzustellen. Gleichgültig, ob dazu Papier und Stifte verwendet werden oder Computer und entsprechende Programme. Grundlage der räumlichen Visualisierung sind nach wie vor die von Filippo Brunelleschi entdeckten Gesetze (vgl. Zeichen 4: Modelle, Skizzen, Pläne). Die Grundbegriffe der Perspektive kannst du leicht nachvollziehen, wenn du auf einem Foto die Tiefenlinien von Gebäuden (Dachtraufe, Fenstersimse usw.) nachzeichnest und sie bis zu ihren Schnittpunkten verlängerst. Auf diese Weise findest du die Fluchtpunkte und den Horizont. Auf dieser Grundlage (Horizont, Hauptpunkt, Fluchtpunkte) kannst du auch selbst schon einfache perspektivische Skizzen anfertigen. Die Erklärungen auf der nächsten Seite sollen dabei helfen (vgl. Abb. 19, 21, 22). Meisterstucke und Grundbegriffe Ein Bild wie die Wirklichkeit Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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