Zeichen 4, Schulbuch
Street Art 6 Bildsprache Lange vor Entwicklung der Schrift hinterließen Menschen Zeichen auf Wänden. Dieses Verhalten, der Drang sich mitzuteilen, hält bis heute an. Der Sammelbegriff „Street Art“ vereint Strömungen künstle- rischer Äußerungen im öffentlichen Raum mit ganz unterschiedlichen Ansichten und Absichten. Gemeinsam ist der Wunsch, in das meist ano- nyme Stadtbild einzugreifen und es mit individuellen „Bildern“ zu verän- dern. Das Zeichensystem im öffentlichen Raum bildet die herrschende Kultur ab, für persönlichen Ausdruck und individuelle Symbolik ist kaum Platz. Street Art zielt also auch auf die Rückeroberung dieser Flächen ab, greift bestimmte Anlässe oder Situationen auf und verdichtet diese zu Bildern. Die dabei verwendeten Materialien und Techniken sind vielfältig: Neben den Schablonengraffitis finden sich Aufkleber (Paste it), Begrü- nungen ( Guerilla Gardening ), kleinere und größere Objekte, Textiles ( Yarn Bombing ) und kurzfristige Inszenierungen ( Parkour ). Street Art richtet sich an uns alle und erreicht durch ihre Öffentlichkeit auch Menschen, die sonst mit Kunst wenig oder nichts zu tun haben. Mit ihrem eigenen sehr freien Anspruch und Zugang steht diese Kunstform aber im ständigen Konflikt mit gesetzlichen Vorgaben: Was ist Kunst und was bloß die Zerstörung von fremdem Eigentum? Seit einigen Jahren ist allerdings eine zunehmende Akzeptanz zu bemer- ken: Legalisierung durch Bereitstellen von Flächen und Räumen seitens der Gemeinden und offensive Vermarktung in der Kunstbranche. Auch die steigende Zahl an Ausstellungen und Street- oder Urban Art -Festivals ist ein klares Indiz für diesen Trend. K. was here! Der kleine Wiener Hofkammerbeamte Joseph Kyselak (1799–1831) unternahm gerne Wanderungen durch Stadt und Land. Dabei hinterließ er an markanten Punkten seinen Namenszug in immer denselben schwarzen Buchstaben, ohne dabei künstlerische Absichten zu verfolgen. Angeblich hatte er dafür eine Schablone. Den kurzen Wanderungen folgte 1825 eine große Reise. Dabei bestieg er einige höhere Berge, er erforschte Burgen und Ruinen und hinterließ wieder seinen Namenszug auf Felsen und Mauern. Wieder zurück in Wien, beschrieb er seine Reise in einem Buch. Noch heute sind einige seiner Inschriften auffindbar und belegen seine Route. 1 Inschrift auf einer Säule im Wiener Schwarzenbergpark 2 Ein Team bemalt ganz offiziell eine Wand am Donaukanal in Wien. Inzwischen gibt es Agenturen, die K nstlerinnen und K nstler f r die Gestaltung zum Teil sehr großer Graffitis auf Hausfassaden vermitteln. Kunst oder Sachbeschädigung? Es gibt keine einheitliche Definition von Street Art: Der Begriff hat sich etwa 2004 etabliert und seither durchgesetzt. Parallel existieren andere Bezeichnungen wie Urban Art oder Post Graffiti. Wichtig ist die Offenheit des Begriffes, den sie spiegelt die Artenvielfalt von Street Art wider. Wir begegnen ihr auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit, sie kommt uns entgegen, überrascht uns im Alltag der Stadt. Street Art provoziert, sie spielt mit dem urbanen Raum und fordert uns auf zu reagieren. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=