Zeichen 4, Schulbuch

58 14  Masaccio: Dreifaltigkeits-Fresko, Sta. Ma. Novella, Florenz, 1426. Schema der Perspektiv konstruktion. Der Augpunkt , definiert durch Aughöhe und Augdistanz , ist sichtbar gemacht. Einer der ersten Maler, die in der perspektivischen Technik arbeiteten, war Tommaso Masaccio (1401–1428). Sein Dreifaltigkeits-Fresko in der Kir- che Santa Maria Novella erregte 1426 fast ebenso großes Aufsehen wie Brunelleschis Demonstration dreizehn Jahre davor. Zentralperspektive  Die Abbildungen 12 und 14 zeigen dir dieses berühm- te Gemälde und seinen perspektivischen Aufbau. Mithilfe der schemati- schen Skizze findest du den Augpunkt , den der Künstler für sein Bild gewählt hat. Er liegt im Schnittpunkt der strichlierten Linien. Der von Masaccio angenommene Standpunkt eines Betrachters liegt demnach genau in der Mittelachse des Bildes und in der Distanz a vor der Bildflä- che. Die Höhe seines Auges, der Abstand vom Auge zum Boden, ist durch den Wert b bestimmt. Die Aughöhe und der Standort in der Mittelachse lassen sich auch auf der Bildfläche markieren. Der so gefundene Punkt ist das Ordnungszentrum für die perspektivische Zeichnung. Er heißt auch Hauptpunkt . Eine waagrechte Linie, die durch diesen Hauptpunkt gezo- gen wird, der sogenannte Horizont , vervollständigt das Grundschema. Die Augdistanz a ist dabei allerdings noch nicht berücksichtigt. Ort und Zeit  In der Kirche Santa Maria del Carmine in Florenz gibt es einen Fresken zyklus (Abb. 15), den Masaccio gemeinsam mit dem Maler Masolino (1383–1447) geschaffen hat. Er wurde an die Wände einer Sei- tenkapelle gemalt, die der Familie Brancacci gehörte. In diesen Bildern demonstrierte Masaccio die Möglichkeiten der perspektivischen Technik und entwarf weite Plätze, Straßen, Laubengänge und offene Loggien. Sie bilden den Schauplatz mehrerer Szenen aus dem Leben des heiligen Pe- trus. Aus heutiger Sicht ist der Umstand, dass Petrus in ein und demsel- ben Bild mehrere Male gleichzeitig auftritt, etwas ungewöhnlich. Aber zu Masaccios Zeit waren solche Lösungen durchaus üblich. Spätere Maler haben davon Abstand genommen und neben die Einheit des Ortes, die durch die Perspektive geschaffen wurde, auch die Einheit der Zeit gestellt. Die Fresken der Brancacci-Kapelle wurden von Masolino fertiggestellt. Masaccio selbst wurde nur 27 Jahre alt. Tiefenlinien  Das untere Bild (Abb. 13) stammt von einem Künstler, dessen Namen wir heute nicht mehr kennen. Es behandelt das Thema der Verkündigung (vgl. Zeichen 3: Fremde Wesen). Die räum- lichen Verhältnisse sind eindeutig ables- bar. Um das Innere und das Äußere des Hauses gleichzeitig zeigen zu können, hat der Maler einfach die Vorderwand weggelassen. Die Begrenzungslinien der Seitenwände sind schräg ausgerichtet. Sie führen gewissermaßen in den Hintergrund, in die Tiefe des Bildes. Diese Schrägstellung der sogenannten Tiefenlinien ist eine der Methoden, die ein Motiv auf der Bildfläche räumlich erscheinen lassen. Der Maler unseres Bildes ging aber noch einen Schritt weiter: Er hat einige diese Linien (z. B. die Ober- und Unterkanten der Seitenwände) so gemalt, dass ihre Verlängerungen in der Bildtiefe aufeinandertreffen. Noch fehlt diesen Linien aber das gemeinsame Bezugssystem: Hauptpunkt und Horizont . Masaccio und die Zentralperspektive 12  Masaccio: Dreifaltigkeits- Fresko , Santa Maria Novella, Florenz, 1426 13  Fresko eines unbekannten Künstlers aus dem 15. Jahrhundert, Santa Maria Novella, Florenz, Westwand (Ausschnitt) Ein Bild wie die Wirklichkeit Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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