Zeichen 4, Schulbuch

48 10  Albrecht Dürer: Heiliger Hieronymus im Gehäus, 1514, Kupferstich Eine artistische Leistung wie das Gesicht auf der vorigen Seite beein- druckt zwar durch ihren verblüffenden plastischen Effekt, aber künstle- risch sind die 150 Jahre früher entstandenen Kupferstiche von Albrecht Dürer (1471–1528) viel bedeutsamer. In ihnen verbindet sich handwerkli- che Perfektion mit gestalterischer Kraft und gedanklichem Reichtum. Einsiedler  Einer von Dürers viel bewunderten „Meisterstichen“ ist die Dar- stellung des „Hieronymus im Gehäus“ (Abb. 10): Der Heilige, der im 4. Jahr- hundert die Bibel aus dem Griechischen und Hebräischen ins Lateinische übersetzt hatte, sitzt in einer Studierstube des 16. Jahrhunderts. Der Löwe, dem er der Legende nach einen Dorn aus der Pfote gezogen hatte und der danach nicht mehr von seiner Seite wich, liegt an der Eingangsschwelle. Er wirkt, als ob er den Heiligen von jeder Störung abschirmen wolle. Durch die Butzenscheiben (s. Abb. 7) fällt Licht in den Raum. Es schafft nicht nur eine warme, ruhige Stimmung, sondern ist gleichzeitig ein Symbol für die göttliche Erleuchtung, die den Heiligen bei seiner Übersetzungsarbeit er- füllt. Meisterhaft  Dürers Können zeigte sich auch in der Art, wie er die Beschaffenheit von Materialien – also ihre Stofflichkeit – wiedergab: das flauschige Fell des Löwen, der weiche Polster auf dem Stuhl oder die harte Tischkante. Seine Kombinationen von Punkten, Strichen und Linien sind nie schematisch und monoton. Mit unglaublichem Erfindungsreichtum stellte er die zartesten Lichtübergänge dar. Nur der helle Schein um den Kopf des alten Mannes blieb völlig weiß. Original und Kopie 7  Ausschnitt aus Abbildung 10: Licht- und Schattenspiel der Butzenscheiben. Der „Butzen“ oder „Nabel“ ist die kleine Erhöhung in der Mitte der Scheibe, die während der Produktion entsteht. 8  Ausschnitt aus Abbildung 10 9  Ausschnitt aus Abbildung 10 Gestochen, geätzt, gekratzt Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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