Zeichen 4, Schulbuch
15 12 Skulpturengruppe im Garten des Belvedere: Apollo und Marsyas Mythologie und Symbolik Zu jedem Barock garten gehörten damals auch Steinfiguren. Viele Menschen können heute damit oft nur wenig anfangen, weil sie über die symbolische Bedeutung der dargestellten Personen kaum Be-scheid wissen. Im Garten des Belvedere zeigt eine Skulpturengruppe in einem Bassin des mittleren Parterre einen jungen Mann, der sich über eine zu Boden gedrückte bocksbeinige Gestalt beugt (Abb. 12). Wenn man die griechischen Sagen kennt, weiß man, dass es sich um Apollo handelt, der dem Satyr Marsyas gerade die Haut abzieht. Dieser hatte sich selbst das Flötenspiel beigebracht und wagte es, Apollo, den Gott der Künste, zum musikalischen Wettstreit herauszufordern. Man vereinbarte, der Sieger solle mit demVerlierer alles tun können, was er wolle. Als Apollo schließlich doch mit seiner Lyra siegte, strafte er den Marsyas für seine Anmaßung und zog ihm bei lebendigem Leib die Haut ab. Wie so oft bei griechischen Sagen erscheint uns diese Geschichte heute besonders grausam und die „Moral“ völlig unverständlich. Aber in der Barock zeit war diese Szene sehr beliebt, weil man in ihr ein Symbol für den Sieg der Kunst über die rohe Natur sah. Man kann in dieser Denk- weise eine Parallele zur Gartengestaltung erkennen: So wie der wilde, ungebildete Marsyas vom Gott der Wissenschaften und Künste bezwun- gen wird, so müssen auch Erde, Wasser und Pflanzen einem strengen Ordnungswillen unterworfen werden. Die Natur wird wie Architektur behandelt. Aus lebendigem Material werden Zimmer, Gänge und Plätze geformt. Der Bezug zur Natur findet im Gedanklichen statt: ein Wasser- bassin mit Seejungfrauen symbolisiert das Meer, ein Boskett den Wald, eine Anhöhe einen Berg, vielleicht sogar den Berg der Götter, den Olymp. Gesamtkonzept Leider sind im Lauf der Zeit viele Skulpturen des Belvedere- Gartens verschwunden (Abb. 7) oder sie wurden versetzt (Abb. 13), sodass man das ursprüngliche Konzept nur mehr ansatzweise erkennen kann: Der untere Gartenteil war den Elementen der Natur gewidmet, der obere den beiden Helden Herkules und Apollo. Offensichtlich sollte damit auf die Leistungen Prinz Eugens als Feldherr und als Förderer der Künste hingewiesen werden. Die Darstellungen des Herkules befinden sich in der östlichen Garten- hälfte (Bezwingung des Riesen Antaios, des Flussgottes Acheloios und des Drachens der Hesperiden), die des Apollo in der rechten Hälfte (Bezwingung des Marsyas, des Greifen, des Python- drachens). Man könnte nun meinen, Prinz Eugen wäre überheblich gewesen, wenn er sich mit einem Gott und einem Halbgott verglich. Aber mit persönlicher Eitelkeit hatte das nichts zu tun. Verherrlichungen dieser Art waren in adeligen Kreisen damals üblich (vgl. Zeichen 3: Weltreise im Stiegenhaus). Sie waren Ausdruck von Bildung und Standesbewusstsein. Je höher der gesellschaftliche Status war, umso symbolträchtiger wurde die Bildsprache. Wenn du den Garten des Belvedere besuchen kannst, löse folgende Aufgaben: Suche den Bereich, wo einst die Menagerie angelegt war (Abb. 9 unten). Die halbkreisförmige Anordnung der ehemaligen Gehege ist heute noch an den Wegen zu erkennen. Der Brunnen mit Pluto und Proserpina (Abb. 7) existiert nicht mehr. Aber die Bassin -Umfassung ist noch als Vertiefungen im Rasen zu sehen. Findest du die Stelle? Die Statuen der Musen vor dem „Pomeranzenhaus“ (Abb. 9 oben) wurden im 19. Jahrhundert in einen anderen Gartenteil versetzt. Wo stehen sie heute? 13 Skulpturen im Park des Belvedere, unten: Urania, Muse der Astronomie, die ursprünglich vor dem „Pomeranzenhaus“ (Orangerie) stand v.Chr. 0 500 1000 1500 heute ab 1721, Bau des Oberes Belvedere mit Gartenanlage, Wien Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv
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