Zeichen 4, Schulbuch

10 Wolle  Die Erscheinungsformen innerhalb des Überbegriffs Street Art oder auch Urban Art sind äußerst vielfältig. Beim Yarn Bombing oder Guerilla Knitting steht das textile Material im Vordergrund. Mit der manchmal bereits als antiquiert verworfenen Technik des Strickens wer- den kleinere und größere Objekte mit Strick- Graffitis umhüllt und (meist farbenfroh) verfremdet: Martialischen Panzern wird durch das weiche Kleid ihr tödlicher Ernst genommen, Bäume mutieren zu Lebewesen. Die Künstlerinnen suchen bewusst die Mischung aus scheinbar „braver Hausfrauen-Fertigkeit“ und widerständiger Aktion mit gesellschaftskriti- scher Aussage. Körper  Noch kurzlebiger als die meist von der Stadtreinigung allzu rasch entfernten Strickobjekte sind die artistischen Auftritte der Parkour -Szene. In einstudierten und einer Choreografie folgenden Inszenierungen bewe- gen sich austrainierte junge Menschen durch den städtischen Raum. Vi- deos im Internet zeigen abenteuerliche Sprünge, reihenweise Über- schläge und waghalsige Klettermanöver frei von jeder Höhenangst. Die Performance aus Tanz und Akrobatik nutzt geschickt den öffentlichen Raum wie eine Mischung aus Turnsaal und urbanem Dschungel. Geklebt  Meistens fallen die vielen ausgespuckten und plattgetretenen Kaugummis auf den Gehsteigen unserer Städte gar nicht mehr auf. In London sollte man aber etwas genauer hinschauen: Seit einigen Jahren bemalt Ben Wilson (geb. 1963) die kleinen hellen Flecken. Hat man eines dieser Werke entdeckt, kann man versuchen dem geheimen Pfad des Künstlers durch die Straßen seines Viertels zu folgen. Seine Miniaturen haben viel mit seinem Stadtteil zu tun. Teilweise sind es auch Auftragswerke, denn der Künstler sammelt die Wünsche seiner Fans in einem Heft. So entstehen Geburtstags- grüße, Liebesbotschaften oder Nachrufe. Da man die Bilder mit dem Kaugummi entfernen kann, gelten sie nicht als Beschädigung öffentlichen Eigentums. Manchmal werden sie auch von Fans abgelöst und mitgenommen. Das wäre gar nicht nötig, Wilson klebt abgelöste Kaugummis auf Folien, bemalt sie und verteilt die kleinen Kunstwerke in nahegelegenen Museen an überraschte und erfreute Menschen. Er selbst sieht es als seinen Beitrag, etwas zu verändern und seine Stadt zu verschönern. Geklebt, gepflanzt, gestrickt, getanzt 15  Auf nur wenigen Zentimetern entsteht ein Dialog mit kleinen Geschichten: Was hat der weiße Hai wohl mit Louis gemacht? 16  Ben Wilson verdient mit seinen Kaugummi-Bildern kein Geld. Rund 10.000 hat er schon gemalt, die meisten davon in London. 17  Bestrickter Magnolienbaum in San Mateo, USA, 2013. Zwischen sechs und sieben Kilometer Wollgarn wurden laut Angabe der beiden Künstlerinnen verarbeitet. 18  Synchronisierte Sprünge in der „Stadtlandschaft“: Parkour -Gruppe in Berlin, 2009 Street Art Nur zu Prüfzwecken – Eigentu des Verlags öbv

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