Zeichen 3, Schulbuch

42 Garten und Grube 5  Murillo: Trauben- und Melonenesser, um 1645/1655 Festessen  Eine ganz andere Kindheit zeigt uns der spanische Maler Bartolomé Esteban Murillo (1618–1682): Sein Gemälde „Trauben- und Melonenesser“ entstand um die Mitte des 17. Jahr­ hunderts, also ungefähr zur selben Zeit wie die lnfanten porträts von Velazquez. Zwei Straßenjungen in zerlumpten Kleidern verzehren genüsslich ihre einfache Mahlzeit. Während der eine die Trauben in seinen Mund gleiten lässt, kaut der andere an einem Melonenstück, das er soeben von einer saftigen Schnitte abgebissen hat. Obwohl die beiden offensichtlich sehr arm sind, scheint es ihnen im Augenblick recht gut zu gehen. Sie genießen den Moment. Straßenkinder  Der Maler Murillo kannte diese Lebensweise aus eigener Erfahrung. Er stammte aus ärmlichen Verhältnissen und war das jüngste von vierzehn Kindern. Mit zehn Jahren wurde er Waise. Seine Bilder von bettelnden und Obst verkaufenden Kindern wurden von reichen Kunstfreunden gerne gekauft. Sie schauten sich diese lebendigen Schilderungen begeistert an, auch wenn die Wirklichkeit der Straßenkinder sicher nicht immer so locker und unbeschwert war, wie sie hier dargestellt wurde. 6  Moritz Daniel Oppenheim: Charlotte de Rothschild und ihr Bruder Wilhelm Carl von Rothschild, um 1830, Öl auf Leinwand, 130 × 100 cm Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die Kinderporträts lieblich zu wer- den. Kinder wurden nicht mehr in Hinblick auf ihre Aufgaben als Erwach- sene dargestellt, sondern als liebenswürdige, zarte Wesen, die behütet werden müssen. Rosa-Blau  Im Doppel porträt der beiden Kinder aus einer reichen Bankiersfamilie kommt diese neue Haltung sehr deutlich zum Ausdruck: Der kleine Bub im rosa Kleid streichelt ein kleines Hündchen, das Mäd- chen im blauen Kleid bindet gerade einen Blumenstrauß. Die Zuordnung der Farben ist also genau umgekehrt zum heute gängigen Klischee der klassischen „Buben- und Mädchen-Farben“. Diese gefühlvolle Schilderung war typisch für eine Zeit, in der man begann, die Kindheit als einen schützenswerten Bereich zu sehen, von dem die harten Anforderungen der Erwachsenenwelt noch ferngehalten werden sollen. Auch die Idee des Kindergartens entstand in diesen Jah- ren. Allerdings kamen diese Gedanken damals hauptsächlich den Söhnen und Töchtern aus wohlhabenden Bürgerfamilien zugute. Arm und reich Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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