Zeichen 3, Schulbuch
40 Arm und reich Die Bedeutung von Kinderdarstellungen Du hast vielleicht schon probiert, einen bestimmten Menschen so zu zeichnen, dass man ihn sofort erkennt. Meistens gelingen diese Versuche weniger durch Darstellung der Gesichtszüge – denn die sind schwer zu treffen –, sondern eher durch Wiedergabe typischer Merkmale wie etwa Frisur, Brille, Sommersprossen usw. Aber manchmal schaffen wir es auch, neben diesen äußeren Kennzeichen weitere Eigenschaften zum Ausdruck zu bringen. Welche Möglichkeiten stehen für die zeichnerische oder malerische Beschreibung eines Menschen zur Verfügung? Worauf soll man achten, wenn man auf bildnerische Weise möglichst viel über eine Person mitteilen möchte? Wir wollen uns zu diesem Zweck einige Porträts anschauen. Es handelt sich hier durchwegs um Darstellungen von Kindern, wobei deren Wohl- stand bzw. Armut eine wesentliche Rolle spielen wird. Du wirst feststel- len, dass man allein schon durch das genaue Betrachten der Bilder sehr viel über die Lebensweise dieser Kinder erfahren kann. Einige zusätzliche Informationen werden deine Eindrücke bestätigen. Dabei wird auch deut- lich werden, dass die Einstellung zu Kindern in früheren Jahrhunderten eine andere war als heute und einige Aspekte (leider) noch immer aktuell sind. 1 Diego Velazquez: Die Infantin Margarita Teresa in blauem Kleid, 1659 Königskinder Abbildung 1 zeigt ein zartes blondes Mädchen. Ihr prunkvoller mit Silberbändern verzierter Reifrock, ihre Halskette und die kostbare Brosche auf ihrer Brust deuten darauf hin, dass sie aus einer hochgestellten Familie stammt. Obwohl ihr Gesicht noch kindlich ist, wirkt sie durch ihren ernsten Blick und ihre würdevolle Haltung schon wie eine vornehme Dame. Dieser Eindruck entspricht völlig der Funktion, die dieses Bild zu seiner Entstehungszeit (1659) hatte: Die damals achtjährige Infantin (Prinzessin) Margarita Teresa war von ihrem Vater, König Philipp IV. von Spanien, dazu bestimmt worden, ihren österreichischen Onkel, Kaiser Leopold I., zu heiraten. Aus politischen Gründen erschien diese Verbindung vorteilhaft. Um Leopold eine Vorstellung von seiner zukünftigen Frau zu vermitteln, wurden in Abständen von zwei bis drei Jahren Porträts von Margarita nach Wien geschickt. Heiratspolitik Für den Hofmaler Diego Velazquez (1599–1660) war es klar, dass er die kleine Prinzessin möglichst damenhaft und würdig darstellen musste. Mit großem malerischem Können fing er das Schimmern ihres Haares ein und ließ mit locker hingesetzten Farbklecksen die Schmuck steine der Brosche aufleuchten. Als Margarita dreizehn Jahre alt war, fand die Verlobung statt und mit fünfzehn Jahren die Hochzeit. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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