Zeichen 2, Schulbuch
82 Kriegsgründe Der größte Teil des „Teppichs von Bayeux“, mehr als die erste Hälfte des Bilderstreifens, beschäftigt sich mit der Vorgeschichte der Eroberung Englands durch Herzog Wilhelm. Dabei geht es auch darum, eine Rechtfertigung für das militärische Unternehmen zu finden. Harold war von den englischen Fürsten zum König erhoben worden, obwohl sein Vorgänger, König Edward, eigentlich den Herzog der Nor- mandie als Nachfolger vorgeschlagen hatte. Diese Tatsache ergänzt der Bildteppich durch eine Erzählung, in deren Verlauf Harold dem Herzog der Normandie einen persönlichen Treueschwur leistet, den er später durch die Annahme der Königswürde bricht. Herzog Wilhelms Kriegszug wird in dieser Darstellung zum Kampf gegen einen Verräter. Das gewalt- same Eingreifen des Herzogs war nach dieser Lesart notwendig, um in England die rechtmäßige Ordnung wiederherzustellen. Zu allen Zeiten haben Konfliktparteien versucht, ihre Sicht der Dinge als die einzig richtige darzustellen. Kriege wurden und werden „für die gerechte Sache“, für politische Ideologien und religiöse Überzeugungen, ja sogar „im Namen Gottes“ geführt. Gibt es eine Rechtfertigung für Krieg? Werkstatt und Auftraggeber Der „Teppich von Bayeux“ ist wahrscheinlich in England entstanden – vermutlich in einer Klosterwerkstatt. Mit Sicher- heit wissen wir das aber nicht. Die drastische Schilderung der Schlachtsze- nen legt nahe, dass kampferfahrene Berater am Entwurf mitgewirkt haben. Auftraggeber dürfte der Bischof von Bayeux gewesen sein. In seiner Ka- thedrale wurde das fertige Werk seit dem Jahre 1077 ausgestellt. Bischof Odon war ein Halbbruder Herzog Wilhelms und hatte viel Geld in den Feldzug gegen England investiert. Angeblich gingen 100 Schiffe und deren Ausrüstung auf seine Kosten. Die Investition machte sich allerdings bezahlt. Bischof Odon wurde später im eroberten England ein reicher und mächtiger Herr. Bischof Odon gehörte zu den Siegern der Schlacht von Hastings und die Darstellungen des Bildteppichs entsprechen seiner Interpretation der Ereignisse. Möglicherweise hätten die geschlagenen Anhänger König Harolds die Geschichte ein wenig anders erzählt. Glasfenster, Star Wars und Comics 15 Teppich von Bayeux: Harold beim Überqueren eines Flusses, Ausschnitt, um 1077 14 Glasfenster mit Motiven aus dem „Teppich von Bayeux“ 13 Die Kathedrale von Bayeux Bayeux 1047 wurde mit dem Bau der Kathedrale von Bayeux begonnen. Als 1077 der gerade erst fertiggestellte Bildteppich dort ausgestellt wurde, war sie noch lange nicht fertig. Ihre heutige prachtvolle Gestalt erhielt die Kirche durch spätere Umbauten im Stile der Gotik . Erst gegen Ende des 15. Jahrhun- derts wurden die Bauarbeiten eingestellt. Seit dem 19. Jahrhundert wird der Bild- teppich nicht mehr in der Kathedrale aufbewahrt. Nur die Motive der Glas- fenster erinnern dort noch an ihn. Mehr- mals wurde er aus Bayeux verschleppt, zuletzt 1941–1945 von der deutschen Besatzungsarmee. Seit 1982 wird der Bildteppich in einem eigenen Dokumen- tationszentrum in Bayeux gezeigt. 2007 wurde er von der UNESCO in die Liste des Weltdokumentenerbes aufgenommen. Zeit im Bild Nur zu u Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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