Zeichen 2, Schulbuch

68 16 Joan Miró in seinem Atelier in Palma de Mallorca, Foto, 1967 Bilder und Dinge Der spanische Maler Joan Miró (1893–1983) arbeitete in einer großen Halle in Palma de Mallorca. Dieses geräumige Atelier konnte er sich allerdings erst leisten, als er schon berühmt war und mit seiner Arbeit gut verdiente. Gewünscht hatte er sich eine große Werkstatt aber schon immer, weil er ständig viele Bilder und Dinge um sich herum haben wollte. Sie lieferten ihm Anregungen zu immer neuen Bildideen. Anregungen und Ideen Miró arbeitete gerne an mehreren Bildern gleich- zeitig, weil eines das andere anregte. „Ich fange ein Gemälde an, ohne darüber nachzudenken, was daraus werden könnte. Wenn der erste Eifer nachlässt, stelle ich es beiseite. Ich kann es dort stehen lassen und mona- telang nicht ansehen.“ Nach einiger Zeit, oft erst nach Jahren, holte er es wieder hervor. „Es quälte mich. Und plötzlich sah ich, dass diese drei Stri- che fehlten. Als ich das verstanden hatte, fügte ich dieses Rot an der Seite hinzu. Jetzt ist es gut.“ Experimentieren und ordnen Abbildung 17 zeigt ein Beispiel für diese Mischung aus wohlüberlegter Komposition und spontanem Experiment: Das Bild ist ein Rückblick auf die Pariser Studentenunruhen im Mai 1968. Miró empfand viel Sympathie für das Aufbegehren der Jugend gegen eine erstarrte gesellschaftliche Ordnung. Auf bildhafte Weise stellte der Fünfzigjährige die Energie und Lebendig- keit dieser Revolte dar. Ein zerplatzter Farbbeutel wirkt wie eine Explo- sion. Kraftvolle Schwünge durchqueren die Bildfläche und verbinden die bunten Farbflecken miteinander. Die Handabdrücke mit den gespreizten Fingern wirken wie ein Zeichen für den Wunsch, persönlich einzugreifen. Fundstücke und Zufälle 14 Joan Miró bei der Arbeit, Foto, 1967 15 Schaukelstuhl in Joan Mirós Atelier in Palma de Mallorca, Foto, 1967 Stille Für seine Gestaltungsprozesse brauchte Miró absolute Stille. Niemand durfte ihm bei der Arbeit zuschauen. Ein Vergleich mit dem Atelier C. D. Friedrichs drängt sich auf: Der Unterschied zwischen der üppigen Fülle bei Miró und der strengen Kargheit bei Friedrich könnte nicht größer sein. Auch die Arbeitsweisen waren extrem gegensätzlich. Aber für beide Künstler war das Atelier ein Ort der äußersten Konzentration auf das, was die Gestaltung eines Bildes erforderte. Im Atelier Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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