Zeichen 1, Schulbuch
21 Zeichnungen und Collagen Die Finanzierung erfolgte hauptsächlich durch den Verkauf von Christos Zeichnungen, die am Kunstmarkt sehr hohe Preise erzielten. Abbildung 3 zeigt eine der frühen Entwurfs skizzen zum Reichstagsprojekt. Zur Visualisierung ihrer Pläne kombinierten Christo und Jeanne-Claude ihre Zeichnungen auch mit der Technik der Collage . Sie ließen von einem Berli- ner Freund Fotografien des Reichstags und seiner Umgebung anfertigen. Dann übermalte Christo auf einem Foto das Gebäude, das verpackt wer- den sollte, mit weißer Farbe und zeichnete mit Kohle und Buntstiften die geplante Verhüllung ein. Die Umgebung des Bauwerks blieb auf dem Foto weiterhin sichtbar. Darunter klebte er häufig auch noch einen Aus- schnitt aus dem Stadtplan und ein Detailfoto der Fassade. Auf andere Skizzen wurden auch noch kleine Stücke des Kunststoffgewebes, das zur Verhüllung verwendet werden sollte, geklebt. Technisches Großprojekt Am 16. Juni 1995 begannen die Verhüllungs- arbeiten. 150 Montagefachleute und 90 professionelle Kletterinnen und Kletterer besorgten das Befestigen und Abrollen der 37 m breiten Stoff- bahnen. Die blauen Seile hatten einerseits die Aufgabe, die Gefahren der Windwirkung zu verringern, andererseits sollten sie die dichte Faltung sichern und die plastische Gliederung des Gebäudes hervorheben. Hunderttausende Menschen kamen, um dieses merkwürdige Gebilde zu sehen. Vielen erschien es als sinnloser Aufwand, weil die vielen Mühen keinen praktischen Zweck erkennen ließen. Andere waren beruhigt, dass wenigstens keine Steuergelder verwendet worden waren. Die meisten aber fanden die Verhüllung einfach schön: Der silberne Stoff glänzte im Sonnenlicht und der Wind spielte in den Falten, sodass das Gebäude, das in der deutschen Geschichte eine wechselhafte und manchmal auch tragische Rolle gespielt hatte, wie ein lebendiges Wesen wirkte. Vergänglichkeit Nach 14 Tagen wurde alles wieder abgebaut. Die Mate- rialien wurden durch Recycling verwertet. Zurück blieben die vielen Foto- grafien, Filme und Berichte sowie die persönlichen Erinnerungen. Wenn Christo und Jeanne-Claude über ihre Arbeit sprachen, betonten sie immer wieder deren Vergänglichkeit. Ihre mühsamen Vorbereitungen waren jeweils auf ein Ereignis ausgerichtet, das nur kurze Zeit zu sehen war und dann wieder spurlos verschwand. Zeigen durch Verhüllen Schon seit den frühen 1960er-Jahren beschäftigten sich Christo und Jeanne-Claude mit Verpackungs- und Verhüllungsaktionen. Anfangs arbeiteten sie noch mit transportierbaren Gegenständen: Der Kinderwagen und das Porträt Jeanne- Claudes sind nur zwei Beispiele. Der Kinderwagen wurde mit Plastikfolie umwickelt, mit einem Seil verschnürt und in einem Museum auf ein Podest gestellt. Das Porträt erinnert an ein Geschenkspaket, das zum Auspacken einlädt. In späteren Jahren wurden die verpackten Formen immer größer. Zuerst waren es Denkmäler, dann ganze Häuser, noch später sogar Landschaften. Dazu mussten immer auch amtliche Bewilligungen und die Zustimmung der betroffenen Besitzerinnen bzw. Besitzer eingeholt werden. Die Planung und die Vorbereitung solcher Projekte dauerten meist mehrere Jahre. Verpackt und verhüllt sind vertraute Dinge in ihrem gewohnten Umfeld plötzlich nicht mehr sichtbar oder sie erscheinen undeutlich, verändert und fremd. Dieser verblüffende Effekt fordert die Neugier heraus und verleitet zu genauerem Hinsehen. 3 Christo und Jeanne-Claude: Verhüllter Reichstag, Zeichnung, 1977 4 Christo: Verpackter Kinderwagen, 1963. Der Künstler setzt letzte Handgriffe an seinem Ausstellungsobjekt. 5 Christo: Verhülltes Porträt Jeanne- Claude, 1963 Onlineergänzung y57q6m v.Chr. 0 500 1000 1500 heute Christo (geb. 1935), Jeanne-Claude (1935–2009) Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv
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