Big Bang HTL 4, Schulbuch

Biochemie und Biotechnologie (IV. Jahrgang, 7. Semester) 67 Biotechnologie 6 Seit tausenden von Jahren nutzen die Menschen Mikroorganismen zur Haltbarmachung von Lebensmitteln, auch wenn ihnen die Existenz dieser Lebewesen lange nicht bewusst war. Erst der berühmte Mikrobiologe L OUIS P ASTEUR konnte im 19. Jahr- hundert widerlegen, dass es sich bei den bekannten Gärungsprozessen um rein chemische Vorgänge handelte. Er zeigte, dass es winzige Hefepilze und Bakterien waren die dahinter steckten. Seit den 1980er Jahren hat sich die Biotechnologie noch ein- mal radikal verändert. Es wurde die Möglichkeit geschaffen in das genetische Material von Lebewesen einzugreifen. Inner- halb von nur 20 Jahren entwickelte sich die moderne Biotechnologie von der Grundlagenforschung zu einem der Milliarden schwersten Geschäfte. Schon 2006 hatten alleine die Top 30 Biotechnologiefirmen der Welt einen Umsatz von mehr als 50 Mrd. US Dollar im Jahr. 6.1 Von Brot und Bier zum Klon-Schaf Definition und Geschichte der Biotechnologie Was mit den zufällig entdeckten Gärungen begann hat sich im Laufe der Jahrtausende zu einem Hightech-Zweig ent- wickelt – die Biotechnologie. Was ist damit überhaupt gemeint ist und welche Entdeckungen waren für ihre Ent- wicklung wichtig? Die Biotechnologie nutzt biologische Prozesse um gemein- sam mit der Ingenieurtechnologie Produkte bereit zu stel- len. Dafür kann sie ganze Organismen oder auch nur Teile davon, wie einzelne Zellen oder Enzyme, technisch nutzen. Schon in Kapitel 4 haben wir Zellen mit kleinen chemischen Fabriken verglichen. Nutzen wir diese Mini-Fabriken für un- sere Zwecke, betreiben wir Biotechnologie. ( F1 ) Geschichte der Biotechnologie Die Geschichte der Biotechnologie beginnt vor etwa 6000 Jahren als die Sumerer und Babylonier be- gannen Bier als energiereiches und haltbares Lebensmittel her- zustellen. Schon damals unterlag die Herstellung von Bier strengs- ten Gesetzen. Im Codex Ham- murabi, einer babylonischen Sammlung von Rechtsschriften aus dem 18. Jh. v. Chr. in Keilschrift, ist das Brau- und Gaststättenwe- sen ganz strikt reguliert. Teile die- ses Gesetzes sind in mehreren Funden bis heute erhalten. Was ist eigentlich Biotechnologie? Welche Entwicklungen haben die Biotechnologie im Laufe der Zeit verändert? Welche Produkte stellt die Biotechnologie her? Welche Vor- und Nachteile hat die Biotechnologie im Vergleich zu chemisch-technologischen Herstellungs- varianten? F1 F2 F3 F4 Abb. 6.1: Prolog zum Codex Hammurabi, zu sehen im Louvre Aber auch in ägyptischen Gräbern (ca. 2400 v. Chr.) finden sich Wandreliefs über das Bierbrauen und Brotbacken. Die Technik des Sauerteigbrotes ist auch schon mehr als 4000 Jahre alt. Abb. 6.2: Darstellung des Bierbrauens aus Ägypten Schon wenig später wurde neben Bier auch Wein produziert, den vor allem die Römer dem Bier vorzogen. Nochmal etwa 1000 Jahre später wurde, wahrscheinlich im Gebiet der heu- tigen Türkei, die Alkoholdestillation entwickelt. Diese wurde von Paracelsus das erste Mal als alcohol vini für den Wein- geist, also den aus Wein destillierten Alkohol, verwendet. Drastisch weiterentwickelt hat sich die Biotechnologie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Hefepilze erstmals als Produzenten von Ethanol und Bakterien als Ursache für Milchsäuregärung erkannt wurden. Man nutzte dieses Wis- sen, um sehr bald auch andere Produkte wie Buttersäure, Zitronensäure oder Aceton zu gewinnen. Im ersten Welt- krieg wurde in Deutschland das für die Herstellung von Sprengstoffen wichtige Glycerin bereits mit Hilfe von Mikro- organismen gewonnen. Viele dieser Prozesse wurden aller- dings wenig später durch den Aufschwung der Erdölindus- trie verdrängt. In den 1940er Jahren griff die Biotechnologie erstmals in den medizinischen Bereich ein und stellte mit der Produk- tion von Antibiotika eine mächtige Waffe im Kampf gegen Infektionskrankheiten zur Verfügung. Das von Alexander Flemming entdeckte Penicillin und andere Antibiotika bt9t4p Nur z Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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