Big Bang HTL 4, Schulbuch

Thermodynamik und moderne Physik (IV. Jg., 8. Sem.) 191 Qualitätskriterien in den Naturwissenschaften 21 Kehren wir aber zurück zu unserer Publikation. Nach dem Abstract folgt immer die Einleitung . Darin werden die Pro- blemstellung und die Motivation diese zu lösen beschrie- ben. Es wird aber auch das bereits vorhandene Vorwissen , das für die Hypothesenbildung notwendig war, kurz zusam- mengefasst. Hier wird die Quelle der Information immer zitiert. Dann folgt die eigene Arbeit, wobei zuerst das Experiment (benötigte Materialien und Durchführung) so beschreiben werden muss, dass es durch den Leser theore- tisch reproduziert werden könnte. Dann folgen die Mess- werte inklusive Ungenauigkeit, oft in Form von Tabellen, Diagrammen oder anderen Visulisierungen. Wenn für die Auswertung Berechnungen notwendig waren wird der Rechenweg, also benötigte Formeln, aufgezeigt. Ganz am Ende der Publikation steht die Diskussion der Ergebnisse. Die Bedeutung der neuen Hypothese wird aufgezeigt, mög- liche Fehlerquellen werden genannt und ein Ausblick auf eine mögliche Weiterführung der Arbeit schließt den Text in der Regel ab. Es folgen dann noch Danksagungen, das Literaturverzeichnis und eventuelle Anhänge. Die fertige Publikation schickt der Wissenschaftler an eine Fachzeit- schrift. Da heute das verfügbare Wissen so vielfältig ist kann der Redakteur der Zeitschrift meist nicht selbstständig überprü- fen, ob die Arbeit plausibel ist. Man hat zu diesem Zweck den Prozess des „ Peer Review “ eingeführt. Peers sind immer gleichwertige Personen, deine Peers wären also deine Mit- schüler. Im Fall der Wissenschaft wird die Publikation an ei- ne Reihe anderer Forscher, die an ähnlichen Fragestellun- gen arbeiten, weitergeleitet. Sie lesen den Artikel und melden der Zeitschrift zurück, was sie davon halten, schla- gen zum Teil auch notwendige Überarbeitungen vor. Sie be- urteilen also die Qualität der Publikation aus ihrer Sicht. Der Prozess des Peer Review ist langwierig und so vergeht oft bis zu einem Jahr ehe eine Artikel publiziert wird. Sehr viele Artikel werden überhaupt abgelehnt und nicht veröffent- licht. Je nach Zeitschrift ist dieser Auswahlprozess unter- schiedlich selektiv. Die bekanntesten Zeitschriften in der Na- turwissenschaft, Science und Nature akzeptieren nur einen kleinen Bruchteil der eingesendeten Texte. Dieser Anteil an akzeptierten Publikationen einer Zeitschrift wird oft als Maß für die Qualität der darin veröffentlichten Arbeiten gesehen. Trotz des großen Aufwandes des Peer-Review-Prozesses und vieler anderer Kritikpunkte am System der wissenschaftli- chen Publikationen ist es ein wichtiges Werkzeug, um die Qualität wissenschaftlicher Publikationen aufrechtzuerhal- ten. Es ist für alle Wissenschaftler wichtig, einer Publikation vertrauen zu können, wenn er oder sie die eigene For- schungsarbeit darauf aufbaut. Das bedeutet nicht immer, dass alle veröffentlichten Arbei- ten unbedingt stimmen müssen, es heißt nur, dass die Wis- senschaft auf die eine oder andere Weise damit umgehen muss: das neue Wissen in bestehende Hypothesen einbau- en, weitere Forschung darauf aufbauen, die Messungen re- produzieren oder auch die Erkenntnisse widerlegen. Immer wieder kommt es vor, dass publizierte Erkenntnisse wider- legt werden. Problematisch ist das eigentlich nur dann, wenn die Daten wirklich mutwillig gefälscht waren. Dies kommt sicher auch immer wieder vor, vor allem weil der Druck auf die Forscher, immer mehr Publikationen zu veröf- fentlichen, stetig zunimmt. Nur Publikationen bringen Geld für weitere Forschungen. Experimente werden oft immer teurer und können deshalb aus Geldmangel oft nicht wie- derholt werden. Das System ist also nicht perfekt, aber doch in der Lage, zu gewährleisten, dass ein Großteil der Publika- tionen von hoher Qualität ist. Abb. 21.6: Comic zum Prozess des „Peer-Review“ Qualitätskontrolle für Wissen aus dem Internet? Abb. 21.7: Wie sehr beeinflusst das Internet unsere Meinung? Sehr oft beeinflussen wissenschaftliche Erkenntnisse auch unsere alltäglichen Entscheidungen, egal ob es dabei um die Wahl der richtigen medizinischen Behandlung oder um die Befolgung von Ernährungsratschlägen geht. Vor solchen Entscheidungen versuchen wir uns zu informieren. Vor den Zeiten des Internets hat man das mit Hilfe von Büchern ge- tan. Aber mal ehrlich, wer geht heute noch zur Recherche in die Bibliothek? Das Internet bietet uns die Chance auf bei- nahe das gesamte Wissen der Menschheit zuzugreifen. Al- lerdings existieren im Netz neben diesen wichtigen Informa- tionen, die aus wissenschaftlichen Arbeiten stammen, eine noch viel größere Menge an Halb- und Unwahrheiten. Und in Zeiten, wo sogar Wahlen durch gezielte Falschinformatio- nen beeinflusst werden können, ist es wichtig, Informatio- nen aus dem Internet auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Auch wenn wir gerade nicht nach konkreten Informationen suchen, lesen, teilen oder liken wir jede Woche unzählige Artikel im Internet und auf sozialen Medien. Bei den süßen Kätzchenvideos ist es vielleicht egal, aber bei vielen ande- ren wäre es doch gut, uns mit dem Wahrheitsgehalt dieser Geschichten auseinanderzusetzen. Nicht immer ist das ganz einfach – und oft ist es sehr zeitaufwendig. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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