Big Bang HTL 4, Schulbuch

Thermodynamik und moderne Physik (IV. Jg., 8. Sem.) 189 Qualitätskriterien in den Naturwissenschaften 21 Abb. 21.2: Analogie zur Verteilung der Messwerte: a) kleiner zufälliger und systematischer Fehler b) großer zufälliger Fehler, c) großer systematischer Fehler Ein systematischer Fehler hat bei einer Wiederholung der Messung unter immer gleichen Bedingungen auch immer den gleichen Betrag und das gleiche Vorzeichen. Ein Beispiel wäre eine falsch tarierte Waage, die immer um eine be- stimmte Masse zu viel oder zu wenig anzeigt. Um systemati- sche Fehler zu minimieren ist eine regelmäßige Kalibration der Messgeräte und eine gute Versuchsplanung wichtig. Zufällige Fehler streuen bei einer Wiederholung der Mes- sung unter den gleichen Bedingungen unvorhersehbar und sind immer unterschiedlich. Diese Fehler versucht man durch eine häufige Wiederholung der Messung und die Bildung von Mittelwerten zu minimieren. Ein wichtiges Maß für die Unsicherheit ist die Standardabweichung . Diese wird laut Norm noch um einen Erweiterungsfaktor multipliziert um die Messungenauigkeit zu erhalten. Dieser Erweiterungs- faktor ist von der Verteilung der Messwerte abhängig, bei einer Normalverteilung der Werte ist er z.B. mit 2 festgelegt. Nicht nur in der Wissenschaft auch in der Technik, wenn z.B. Grenzwerte überprüft werden müssen, ist die Bedeutung der Messunsicherheit groß, wie Abb. 21.3 verdeutlicht. Die Entscheidung, ob der Grenzwert eingehalten wurde, fällt im Fall A und D leicht. Bei B und C jedoch ist mit den verfüg- baren Messwerten diese Entscheidung nicht möglich. Abb. 21.3: Messergebnisse mit ihrer Messunsicherheit in Relation zu einem oberen Grenzwert. Arbeitsbox Simuliere den Prozess der wissenschaftlichen Metho- de: Du gibst in der Früh ein Stück Brot in den Toaster und schaltest ihn ein, aber das Brot wird nicht getoastet. Formuliere eine Fragestellung, überlege dir eine Hypothese und entwirf ein Experiment, diese zu überprüfen. Welche möglichen Ergebnisse gibt es und wie wirken sich diese auf die Hypothese aus? L Recherchiere im Internet den Unterschied zwischen eichen und kalibrieren. L Überlege dir Maßnahmen, wie die Streuung von Messdaten durch zufällige Fehler möglichst minimiert werden kann. L 1 F5 F6 F7 21.2 Revolution oder Evolution Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen Heute ist der Begriff Paradigma – oder auch Paradigmen- wechsel – immer dann im Einsatz, wenn jemand etwas Neues schaffen möchte, egal ob im Umweltschutz oder in der Politik. Bis vor 50 Jahren war dieses Wort nur vom einen oder anderen Deutsch-Professor zu hören, wenn er in Gram- matik Wörter beugte (z.B. singen – sang – gesungen). Neu geprägt wurde der Begriff in den 1960er Jahren für die Wissenschaft. Wir haben im ersten Kapitelabschnitt besprochen, wie wis- senschaftliche Forschung immer auf das bereits vorhandene Wissen aufbaut. Es ist die Basis für die Formulierung neuer Hypothesen, für die Planung von Experimenten. Die neuen Messergebnisse dienen dann dazu, die Hypothese langsam weiterzuentwickeln. Diesen Prozess des Wissensfortschritts kann man gut mit der Evolution in der Biologie vergleichen. Viele kleine Veränderungen bewirken über lange Zeit große Entwicklungen. Aber funktioniert Wissenschaft wirklich so? Abb. 21.4: T. S. Kuhn Im Jahr 1962 veröffentlichte T HOMAS S. K UHN , ein amerikani- scher Physiker und Wissenschaftsphilosoph das Werk „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“. In diesem be- zeichnete er den Berg an bereits vorhandenem Wissen, die allgemein akzeptierten Regeln der Forschergemeinschaft als Paradigmen . ( F8 ) Er meinte, wenn Messungen aus neuen Experimenten so gar nicht zu diesen Regeln passen, würde man diese eher als Messfehler abtun. Ja sie würden ignoriert oder vielleicht sogar als lächerlich hingestellt. Es wäre also laut K UHN gar nicht möglich ein solches Paradig- ma zu widerlegen. Dabei sei das Prinzip der Widerlegbarkeit einer wissen- schaftlichen Theorie eine der Grundfesten der Wissen- schaftstheorie. Diese theoretische Widerlegbarkeit bedeu- tet, dass man festlegen muss unter welchen Umständen man diese Theorie als falsch erachten würde. Dieser auch als Falsizierbarkeit genannte Anspruch an eine wissen- schaftliche Hypothese wurde von Sir K ARL P OPPER , einem österreichischen Wissenschaftsphilosophen, kaum 30 Jahre vor K UHNS Publikation geprägt. Was stellst du dir unter dem Begriff Paradigma vor? Was bedeutet er für die Wissenschaftsphilosophie? Was ist der Unterschied zwischen einer Evolution und einer Revolution? F8 F9 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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