Big Bang HTL 4, Schulbuch

188 Thermodynamik und moderne Physik (IV. Jg., 8. Sem.) Qualitätskriterien in den Naturwissenschaften 21 Schon im 19. Jahrhundert sagte der nordirische Physiker W ILLIAM T HOMPSON , der spätere Lord Kelvin, der für seine Temperatur- skala bekannt ist: “ When you can measure what you are speaking about, and express it in numbers, you know something about it; but when you cannot measure it, when you cannot express it in numbers, your knowledge is of meagre and unsatisfactory kind. ” Es sei, frei übersetzt, also nur messbares Wissen ein gutes Wissen. Der deutsche Physiker M AX P LANCK soll sogar so weit gegangen sein zu sagen „Was man messen kann, das existiert auch.“ Die Naturwissenschaft hat Experimente und deren Messbarkeit als eine ihrer Grundsäulen verankert. Muss sie sich deshalb um die Qualität ihrer Arbeit gar keine Sorgen ma- chen? Mit diesen Fragen wollen wir uns hier auseinander setzen. 21.1 Von Fragen und Antworten Das Prinzip der wissenschaftlichen Methode Seit G ALILEO G ALILEI , den A LBERT E INSTEIN als den Vater der mo- dernen Wissenschaft bezeichnete, versuchen Wissenschaft- ler durch messbare Experimente zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Aber reicht das Prinzip der Messbarkeit als Quali- tätskriterium? Die Menge an verfügbarem Wissen hat sich vor allem in den letzten einhundert Jahren potenziert und es wird dadurch immer schwerer, die Richtigkeit oder Quali- tät dieses Wissens zu überprüfen. Schauen wir uns zu Beginn das Grundprinzip der wissenschaftlichen Methode etwas genauer an (siehe auch Band I). Am Beginn jeder wissenschaftlichen Arbeit steht immer ei- ne Beobachtung . G ALILEO G ALILEI beobachtete z. B. fallende Gegenstände und oder schwingende Deckenluster (siehe Band III). Wer genau beobachtet, beginnt sich Fragen zu stellen. Fallen alle Gegenstände gleich schnell? Wovon ist die Periodendauer eines Fadenpendels abhängig? Nach der Formulierung der Frage folgt die Recherche , was zu dieser Frage schon bekannt ist. Dieser Teil war für G ALILEO eine überschaubare Aufgabe, weil das im 17. Jahrhundert vorhandene Wissen nur einen Bruchteil des heutigen Wis- sens darstellte. Heute ist dieser Schritt sehr aufwändig, Mil- lionen von wissenschaftlichen Publikationen sind verfügbar. Über Online-Datenbanken wie Google Scholar oder andere Portale können diese durchsucht werden. Auch für deine Diplomarbeit wirst du solche Suchmaschinen wahrschein- lich verwenden. Die Erkenntnisse dieser Recherche fasst der Wissenschaftler zusammen, immer unter Zitierung der Quel- le. Die Recherche führt zur Erstellung einer Hypothese , also eine auf Basis der Recherche wahrscheinliche Antwort auf die gestellte Frage. ( F1 ) Erst jetzt wird ein Experiment so geplant, dass die Beobachtungen möglichst gut messbar sind und die Hypothese überprüft werden kann. Nach der Durchführung des Experiments werden die erhaltenen Daten analysiert. Sie bestätigen oder widerlegen die Hypo- Was versteht man unter einer Hypothese? Wodurch unterscheidet sich ein Experiment von einer Beobachtung? Was bedeuten die Begriffe objektiv und subjektiv? Wie berechnet man eigentlich einen Mittelwert und die Standardabweichung? L F1 F2 F3 F4 these. Aber auch wenn die Ergebnisse die Hypothese unter- stützen, heißt das nicht zwingend, dass diese korrekt ist. Abb. 21.1: Übersicht über die wissenschaftliche Methode Unsicherheit von Messdaten Wie schon erwähnt, ist die Messbarkeit der Beobachtungen im Experiment der wesentliche Unterschied zwischen einfa- chem Beobachten und dem Experiment des Naturwissen- schaftlers. ( F2 ) Durch die Quantifizierung soll die subjek- tive Erfahrung des Beobachters weitgehend objektiviert werden, das heißt der Beobachter selbst soll keinen Einfluss auf das Ergebnis haben. ( F3 ) Objektive Messdaten sind die Grundlage der modernen Wissenschaft und deshalb sind die Ansprüche an die Qualität dieser Messdaten beson- ders hoch. Ein Messwert ist ohne die gleichzeitige Angabe seiner Unsicherheit wertlos. Sie ist ein wichtiges Maß für die Qualität der Information, die in den Messwerten stecken. Die Bestimmung der Messunsicherheit ist in der ISO/IEC Guideline 98-3 als Norm verankert. Der Begriff der Messun- sicherheit ist dort definiert als „ ein aus den Messdaten ge- wonnener Wert, der zusammen mit dem Messergebnis zur Kennzeichnung eines Wertebereichs für den wahren Wert der Messgröße dient “. In leichter verständlichen Worten zeigt uns die Messungenauigkeit, wie weit der wahre Wert von unserem Messwert abweichen könnte. Für die Bestimmung der Messungenauigkeit sind einige Kenngrößen der Statis- tik notwendig, die du sicher im Mathematikunterricht schon kennengelernt hast, wie z.B. der Mittelwert oder die Stan- dardabweichung. Die Fehler, die zur Abweichung des Messwertes vom wahren Wert führen werden allgemein in zwei Kategorien einge- teilt: – Zufällige Fehler – Systematischer Fehler Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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