Big Bang HTL 4, Schulbuch

Teilchenphysik und Standardmodell 17 Thermodynamik und moderne Physik (IV. Jg., 8. Sem.) 155 Bereits um 1950 versuchte man in Teilchenbeschleunigern Protonen und Neutronen in eventuell noch kleinere Teilchen zu „zerschlagen“. Das Ergebnis war aber sehr verwirrend. Man fand nämlich über 300 neue, teilweise sehr schwere Teilchen, die keine Leptonen waren und die man scherzhaft als Teilchenzoo bezeichnete (Abb. 17.26). Statt auf elemen- tare Teilchen zu stoßen, wurde die Sache also immer kom- plexer. Der Amerikaner M URRAY G ELL -M ANN fand aber 1964 ein Ordnungsprinzip, das die Vielfalt dieser neuen Teilchen er- klärt und mit nur 6 Bausteinen auskommt. Diese Bausteine sind die Quarks (Tab. 17.4). Info: Teilchen mit Geschmack und Farbe Quarks, Spin ½ „Geschmack“ Ladung entdeckt Ruhemasse MeV/ c 2 Up u +2/3 ≈ 1970 3 normale Materie Down d –1/3 ≈ 1970 6 Strange s –1/3 ≈ 1970 105 Materie in höherem Energie- zustand Charm c +2/3 1974 1200 Bottom b –1/3 1977 4250 Top t +2/3 1995 171000 Tab. 17.4: Überblick über die Quarks: Es gibt 6 verschiedene Arten von Quarks, die „Geschmäcker“. Jeder „Geschmack“ kommt in drei Farben und drei Anti-Farben vor. Up und Down bezieht sich nicht auf den Spin! Die Quarks gehören wie die Leptonen (Kap. 17.2.1) zu den Materiebausteinen und sind wie diese nach heutigem Wis- sen nicht weiter teilbar. Egal, welches Materieteilchen du im Universum findest: entweder ist es ein Lepton, oder es setzt sich aus Quarks zusammen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Weil es 6 Leptonen und 6 Quarks gibt, kann man die gesamte im Universum befindliche Materie aus nur 12 Teil- chen zusammenbauen (siehe Tab. 17.2, Kap. 17.2). Die 6 ver- schiedenen Arten von Quarks bezeichnet man scherzhaft als „Geschmäcker“ (engl. flavours). Am häufigsten sind u- und d-Quarks. Aus diesen sind zum Beispiel Neutronen und Protonen aufgebaut (Abb. 17.9). Du siehst, dass die Quarks keine ganzen Ladungen besitzen, son- dern ein Drittel oder zwei Drittel der Elementarladung (siehe Tab. 14.4). Weil nur ganz bestimmte Kombinationen möglich sind, ergeben sich in Summe trotzdem immer „ganze“ Ladun- gen. Die Vermutung, dass das Proton weiter teilbar ist, konnte 1969 in Streuexperimenten belegt werden (Abb. 17.10). Abb. 17.9: Protonen und Neutronen sind keine Elementarteilchen, sondern setzen sich aus drei Quarks zusammen. Abb. 17.10: So belegte man 1969 die Existenz der Quarks. Nun ergab sich aber ein Problem. Quarks sind Fermi- onen und daher gilt für sie das Pauli-Verbot (Kap. 17.1). Be- reits 1953 hatte man aber ein Teilchen entdeckt, das man mit ∆ ++ (Delta-plus-plus) bezeichnet und das aus drei u-Quarks bestehen müsste (Abb. 17.11 a). Zwei gleiche Quarks können sich durch ihren Spin unterscheiden. Für das dritte gibt es aber kein weiteres Unterscheidungsmerkmal. Es dürfte also nicht drei u-Quarks auf einem Haufen geben und daher auch kein ∆ ++ -Teilchen. Man musste ein weiteres Unterscheidungsmerkmal einführen, das man in Anlehnung an die Farbmischung Farbladung oder kurz Farbe nennt. Da- durch ist trotz Pauli-Verbots das Quarkmodell gerettet. Alle Teilchen, die aus Quarks zusammengesetzt sind, sind nach außen hin farbneutral (Abb. 17.9 und 17.11). Abb. 17.11: Ein ∆ ++ besteht aus drei u-Quarks, ein π + aus einem u- und einem Anti-d-Quark. Beide Teilchen sind in Summe farbneutral. Allgemein nennt man Teilchen aus drei Quarks Baryonen, und solche aus zwei Quarks Mesonen (Abb. 17.26, Seite 161). Info: „Quark-Farben“ -> S. 156 Teilchen mit Geschmack und Farbe Die Bezeichnung Quark stammt von M URRAY G ELL -M ANN . Sie ist dem Buch „Finnegans Wake“ von J AMES J OYCE entnommen und bezeichnet dort einen „Grünschnabel“. Quarks werden „Ge- schmack“ und „Farbe“ zugeordnet. Einer der Geschmäcker ist „charm“, also Charme. Natürlich haben Quarks weder Geschmack noch Farbe und sind auch nicht charmant. Moderne Physiker sind einfach phantasievoller bei der Namensgebung der Teilchen und Eigenschaften und be- schränken sich nicht nur auf das Griechische (Tab. 17.5)! Elektron „elektron“ heißt „Bernstein“. An diesem wurde Elektrizität erstmals beobachtet. Proton „protos“ heißt „der Erste“. Das Proton war das erste Kernteilchen, das man entdeckte. Baryon „barys“ heißt „schwer“. Baryon bedeutet „schweres Teilchen“ (Abb. 17.11 a). Meson „mesos“ heißt „mittel“. Meson bedeutet „mittelschweres Teilchen“ (Abb. 17.11 b). Lepton „leptos“ heißt „leicht“. Lepton bedeutet „leichtes Teilchen“ (Kap. 17.2.1). Tab. 17.5: Beispiele für Teilchennamen und von welchen griechischen Worten sie sich ableiten i Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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