Big Bang HTL 4, Schulbuch

Teilchenphysik und Standardmodell 17 Thermodynamik und moderne Physik (IV. Jg., 8. Sem.) 153 17.2 Teilchenbausatz für das Universum Die Teilchen des Standardmodells Die gesamte Materie ist aus Atomen aufgebaut, die wieder- um aus Elektronen, Neutronen und Protonen bestehen. Das Elektron ist nach heutigem Wissensstand ein Elementar- teilchen, also nicht weiter teilbar. Protonen und Neutronen sind aber nicht elementar, sondern bestehen, wie wir seit etwa 1970 wissen, wiederum aus den sogenannten Quarks (Abb. 17.5). Abb. 17.5: Schematische Darstellung eines Wasserstoffatoms: Das Proton ist nicht elementar, sondern aus drei Quarks aufgebaut. (Anm.: Proton und Quarks sind übertrieben groß dargestellt.) Ziel der Teilchenphysiker war es salopp gesagt, jenen „Bau- satz“ von Elementarteilchen zu finden, mit dem man alle im Universum vorkommenden Teilchen zusammensetzen kann, auch die Exoten des „Teilchenzoos“. Dieser „Bausatz“ wurde 1978 gefunden, und man bezeichnet ihn als das Standard- modell der Teilchenphysik (Tab. 17.2). Außerdem erklärt dieses Modell drei der vier bekannten Kräfte bzw. Wechsel- wirkungen. 17.2.1 Leptonen Zu den Leptonen gehören unter anderem Elektronen und Neutrinos. Warum der Ausdruck Leptonen nicht glücklich gewählt ist und warum Neutrinos kuriose Teilchen sind, erfährst du in diesem Abschnitt. Wie entstehen im Rahmen der Kernfusion im Inneren der Sonne Neutrinos? Schau nach in Kap. 17.2! Lange Zeit war unklar, ob Neutrinos eine Ruhemasse besitzen und ob sie sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Dann belegten die Physiker, dass sich die verschiedenen Neutrinos ineinander umwandeln können. Damit war klar, dass sie sich nicht mit c bewegen, dafür aber eine Ruhemasse besitzen müssen. Warum? Gib einen Tipp ab, wie viele Neutrinos auf der Erde jede Sekunde durch 1cm 2 Fläche fliegen! Und wie dick müss- te eine Bleiwand sein, damit die Hälfte einer bestimm- ten Zahl Neutrinos abgeschirmt werden könnte? Was versteht man unter einem Antiteilchen bzw. unter Antimaterie? Würde es dir auffallen, wenn das ganze Universum aus Antiteilchen aufgebaut wäre? F5 F6 F7 F8 Fermionen, Spin ½ Bosonen, Spin 0 oder 1 6 Leptonen Kap. 17.2.1 6 Quarks Kap. 17.2.2 4 „Kraftüberträ- ger“ Kap. 17.2.3 1 „Masseer- zeuger“ Kap. 17.3 Die 12 Leptonen und Quarks sind die Materiebausteine. Sie sind elementar und unterliegen dem Pauli-Verbot. Mit Ausnahme der Gravitation kann man mit den 13 Bosonen des Standardmodells alle bekannten Kräfte erklären. Gesamtsumme 25 Tab. 17.2: Das Standardmodell der Teilchenphysik kommt je nach Zählart mit 17 bis 37 Teilchen aus (siehe auch Abb. 17.26, S. 161). Leptonen, Spin ½ Name Ladung ent- deckt Ruhe- masse MeV/c 2 mittlere Lebensdauer in s Elektron e – −1 1897 0,511 stabil normale Materie Elektron-Neutrino ν e 0 1956 < 0,46 · 10 −4 stabil Myon µ – −1 1937 10 6 2,2 · 10 −6 Materie in höherem Energie- zustand Myon-Neutrino ν µ 0 1962 < 5 stabil Tauon τ – −1 1974 1777 3,4 · 10 −13 Tauon-Neutrino ν τ 0 2000 < 164 stabil Tab. 17.3: Überblick über die Leptonen: Zu jedem der hier angeführten Leptonen gibt es jeweils ein Antiteilchen. Für einzelne Teilchen gibt man nicht die Halbwertszeit T 1/2 an, sondern die mittlere Lebensdauer τ . Es gilt: τ = T 1/2 /ln2. Die Leptonen (Tab. 17.3) gehören neben den Quarks zu den Materiebausteinen des Universums und sind wie diese nach heutigem Wissensstand nicht weiter teilbar. Es gibt 6 Lep- tonen . Das bekannteste davon ist das Elektron, das bereits 1897 entdeckt wurde (Kap. 13.1). Es ist wahrscheinlich punkt- förmig. Die experimentell belegbare Größenobergrenze liegt derzeit bei etwa 10 −19 m (Stand 2018). Die Bezeichnung Leptonen leitet sich vom griechischen „leptos“ ab, was so viel wie „leicht“ bedeutet. Das klingt einleuchtend, denn ein Elektron ist rund 2000-mal leichter als ein Proton. Allerdings hat man Jahrzehnte nach dem Elektron noch zwei schwerere Verwandte entdeckt, nämlich Myon und Tauon (Tab. 17.3). Vor allem beim Tauon ist von leicht keine Rede mehr, denn es ist fast doppelt so schwer wie ein Pro- ton! Im Nachhinein betrachtet ist der Ausdruck „leichte Teilchen“ also nicht besonders glücklich gewählt. Ebenfalls zu den Leptonen gehören die rätselhaften Neu- trinos, die unter anderem beim β -Zerfall und bei der Kern- fusion im Innern der Sonne entstehen (Kap. 16.2). W OLFGANG P AULI sagte ihre Existenz bereits 1930 voraus. Er musste aber bis 1956 auf die experimentelle Bestätigung warten. Info: Rätselhafter β -Zerfall -> S. 154 Neutrinos sind nicht geladen und treten unglaublich selten mit dem Rest der Materie in Wechselwirkung. Selbst eine Bleiwand von einem Lichtjahr Dicke (etwa 10 16 m) würde nur die Hälfte davon abschirmen ( F7 )! Unfassbar!!! Neutrinos fliegen also praktisch unbeeindruckt durch Materie. Und Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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