Big Bang HTL 4, Schulbuch

Energie aus den Atomkernen 16 Thermodynamik und moderne Physik (IV. Jg., 8. Sem.) 145 Allgemein gilt: Wenn nach einem Ereignis die beteiligten Teilchen (etwa Elektronen, Atome oder Nukleonen) stärker gebunden sind, wird Energie frei. Bei chemischen Vorgän- gen, etwa dem Verbrennen von Öl, spielen die Bindungen zwischen den Atomen eine Rolle. Diese beruhen auf der elektrostatischen Kraft. Bei der Kernspaltung spielt aber die Kernkraft (Kap. 17.2.3) eine Rolle. Diese ist wesentlich stär- ker und somit ist auch die frei werdende Energie größer. Der große „Brennwert“ von Uran ist also eine direkte Folge da- von, dass die Kernkraft so stark ist. Abb. 16.3 zeigt, wie nach jedem Spaltvorgang zwei Neutro- nen wiederum eine neue Kernspaltung hervorrufen. Diese Kettenreaktion hat einen Multiplikationsfaktor k von 2. Ist k größer als 1, so kommt es zu einer lawinenartigen Reaktion. Eine solche läuft gewollt in Kernwaffen ab (Kap. 16.3) und ungewollt bei Reaktorkatastrophen. Damit ein Reaktor sta- bil läuft, muss die nutzbare Neutronenzahl vor und nach der Spaltung gleich groß sein ( k = 1). Das kann durch geeignete Dimensionierung des Reaktors und durch die Regelstäbe (siehe Abb. 16.9) erreicht werden. Info: Tschernobyl und Fukushima Es gibt ein gutes Dutzend verschiedener Arten von Kern- reaktoren, aber das Prinzip ist in allen Fällen gleich: Kern- kraftwerke sind Wärmekraftwerke. Die bei der Kernspaltung frei werdende Energie dient letztlich zur Erzeugung von Wasserdampf, der wiederum Turbinen zur Stromerzeugung antreibt. In Abb. 16.9 ist exemplarisch ein Druckwasser- reaktor dargestellt. 2 Millionen Kilogramm Wie groß ist der „Brennwert“ von Uran? Beim „Zusammen- bau“ eines U-235-Kerns beträgt der Massendefekt etwa 0,8% (Abb. 16.4), bei mittelschweren Kernen aber etwa 0,9%. Wenn in 1 kg U-235 alle Kerne zerfallen sind, hat sich die Masse um 0,1% oder 1 g verringert. Nach E = mc 2 ist dabei die unglaubliche Energie von 9 · 10 13 J frei geworden. In 1 kg Heizöl stecken „nur“ 4 · 10 7 J. Du bräuchtest also über 2 Millionen Kilogramm Öl, damit du bei der Verbrennung dieselbe Energie gewinnst ( F4 ; Abb. 16.5). Abb. 16.5: Rund 20 (!) solcher Supertanklaster braucht man, um 2 Millionen Kilogramm Heizöl unterzubringen. i Tschernobyl und Fukushima Durch eine Kombination aus menschlichem Versagen und Konstruktionsfehlern kam es 1986 im ukrainischen Atom- kraftwerk Tschernobyl (Abb. 16.6) zu einer unkontrollierten Kettenreaktion, und der Reaktor explodierte. Bei diesem Super-GAU (GAU = größter anzunehmender Unfall) hob sich der über 1000 Tonnen schwere Deckel des Reaktors, und durch den Brand der Graphit-Stäbe wurden große Mengen radioaktiver Materie frei. Vor allem die flüchtigen Isotope Iod-131 und Cäsium-137 wurden in einer radioaktiven Wolke tausende Kilometer weit getragen, auch nach Österreich (Abb. 16.7). Die Zahl der Todesopfer ist wegen der Spät- folgen schwer zu eruieren. Die Angaben schwanken zwischen 4000 (internationale Atomenergieorganisation) und 93.000 (Greenpeace). Abb. 16.6: Der Reaktor von Tschernobyl nach der Explosion Abb. 16.7: Die Ausbreitung der radioaktiven Wolke Die Nuklearkatastrophe von Fukushima (2011) war eigent- lich die Folge einer Reihe katastrophaler Unfälle und schwerer Störfälle. Die Unfallserie wurde durch ein sehr schweres Erdbeben mit nachfolgendem Tsunami ausgelöst. Die Tsunami- Welle (Kap. 12.3, NAWI I) erhöhte den Meeres- spiegel um rund 15m (Abb. 16.8)! Für solche Unfälle waren die Sicherheitsmaßnahmen nicht ausgelegt. In zwei von sechs Reaktorblöcken kam es zu Kernschmelzen, große Mengen an radioaktivem Material wurden frei gesetzt, vor allem Xenon-133 und Cäsium-137 . Ungefähr 100.000 bis 150.000 Einwohner mussten das Gebiet vorübergehend oder dauerhaft verlassen! Die Entsorgungsarbeiten werden vor- aussichtlich 30 bis 40 Jahre dauern, die Kosten auf über 150Mrd. Euro geschätzt. Abb. 16.8: Schematische Darstellung der Tsunami-Welle, die Fukushima traf: A: Kraftwerk, B: höchster Wasserstand des Tsunamis, C: Bodenhöhe des Kraftwerks, D: durchschnittliche normale Meereshöhe i Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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