Big Bang HTL 4, Schulbuch

118 Thermodynamik und moderne Physik (IV. Jg., 8. Sem.) Es ist prinzipiell unmöglich, aus einer Wahrscheinlichkeits- angabe auf ein Einzelereignis zu schließen, egal ob es sich nun um den Aufprallpunkt eines Quants handelt oder um die Augenzahl beim nächsten Wurf. Die unbehagliche Tatsache, dass die Natur im Bereich der Quanten nicht vorhersagbar ist und Einzelereignisse dem Zufall unterworfen sind, war der Grund für E INSTEINS Aus- spruch „Gott würfelt nicht“ (Im Original: „I cannot believe, that God plays dice with the cosmos“ ). Einstein hatte noch die Hoffnung, dass dieser Zufall nur ein scheinbarer ist und durch unsere Unwissenheit verursacht wird. Nach dem, was wir heute wissen, muss man aber sagen: Im Quantenreich wird ausschließlich gewürfelt! Zusammenfassung Quanten folgen Wahrscheinlichkeitsgesetzen. Das bedeutet, dass das Verhalten einer sehr großen Zahl von Quanten vor- hersagbar ist. Zum Beispiel entsteht bei einem Doppelspalt nach dem Durchschuss vieler Teilchen immer das bekannte Streifenmuster. Das Verhalten eines einzelnen Teilchens ist aber nicht vorhersagbar und vollkommen dem Zufall über- lassen. Das hat viele Physiker schockiert! 12.5 Energie aus dem Nichts Die Heisenberg’sche Unschärferelation Die Tatsache, dass im Quantenreich der Zufall regiert, war für die Physiker der damaligen Zeit ein ziemlicher Hammer. Aber es kam noch schlimmer. Der Deutsche W ERNER H EISENBERG machte eine weitere schockierende Entdeckung. Abb. 12.11: Der Aufprallpunkt des Teilchens wird durch eine Wahrscheinlichkeitswelle bestimmt, deren Wellen- länge der de Broglie- bzw. der Lichtwellenlänge entspricht. An Stellen von konstruktiver Interferenz (a) ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreffen des Einzelteil- chens sehr groß, an Stellen destruktiver Interferenz (b) praktisch null. Z Baron P IERRE DE L APLACE stellte zu Beginn des 19. Jahrhunderts folgende Behauptung auf: „Wenn man alle Naturgesetze kennt und den genauen Zustand des Universums zu einem bestimmten Zeitpunkt, dann ist die weitere Entwicklung völlig vorausbestimmt.“ Das nennt man Determinismus . Was ist aus Sicht der Quantenmechanik dazu zu sagen? Was kannst du über den Zusammenhang zwischen Wellenlänge, Spaltbreite und Stärke der Beugung am Einzelspalt (Abb. 12.12) sagen? F11 F12 Es gibt in der modernen Physik einige gewichtige Argumen- te gegen die Vorherbestimmtheit, also gegen den Determi- nismus ( F11 ). Ein Argument hast du in Kap. 12.4 bereits kennen gelernt: Im Reich der Quanten wird gewürfelt! Es ist also prinzipiell unmöglich, für ein einzelnes Quant eine ex- akte Vorhersage zu treffen. Du kannst nur eine Wahrschein- lichkeit angeben, ähnlich wie beim Würfeln. Es gibt aber noch ein weiteres Argument gegen den Determinismus, das noch eine Ebene tiefer liegt. Es ist nämlich bereits unmög- lich, den exakten Zustand eines Quants zu einem bestimm- ten Zeitpunkt festzustellen. Konkret gesagt: Es ist unmög- lich, sowohl den exakten Ort als auch den exakten Impuls eines Teilchens gleichzeitig zu bestimmen. Es bleibt beim Messen immer eine gewisse Unbestimmbarkeit oder, wie man auch sagt, Unschärfe über. Das hat der deutsche Physi- ker W ERNER H EISENBERG 1927 entdeckt, und man nennt diesen Effekt daher Heisenberg’sche Unschärferelation: Formel: Heisenberg’sche Unschärferelation für Impuls und Ort ∆ p · ∆ x ≥ h ___ 4 π ≈ h __ 13 ∆ p … Impulsunschärfe [kgms –1 ] ∆ x … Ortsunschärfe [m] h … Planck’sches Wirkungsquantum [Js] h = 6,63·10 –34 Js Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Unschärferelation qualitativ herzuleiten. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Es bleibt eine Mindestunschärfe über, die bei rund h /13 liegt (Abb. 12.14). Du kannst zwar die Ortsunschärfe oder die Im- pulsunschärfe reduzieren , aber niemals beide gleichzeitig. Die Mindestunschärfe verhält sich wie die Fläche eines Rechtecks und ∆ x und ∆ p wie dessen Seiten. Durch diesen Umstand verliert auch der „Bahnbegriff“ in der Quantenme- chanik seine Gültigkeit. Das spielt vor allem beim quanten- mechanischen Atommodell eine große Rolle (siehe Kap. 18). Info: Einzelspalt 1 + 2 Weil es bei vielen Überlegungen zur Herleitung der Unschär- ferelation ums Messen geht, könnte man jetzt meinen, dass die Unschärfe an unserer Unfähigkeit liegt, bessere Appara- te zu bauen. Das stimmt aber nicht! Diese Unschärfe ist eine prinzipielle Eigenschaft der Natur, und sie gilt auch dann, wenn man gar keine Messung vornimmt. Es gibt eben kein Entrinnen vor den Gesetzen des Universums. Abb. 12.12 F Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des ∆ ∆ Verlags öbv

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