Big Bang HTL 4, Schulbuch

Thermodynamik und moderne Physik (IV. Jg., 8. Sem.) 113 Welle und Teilchen 12 Stell dir einmal vor, du könntest durch die Wand oder gleichzeitig durch zwei Türen gehen. Klingt sehr nach Sciencefiction?! In unserer alltäglichen Welt der großen Objekte ist das natürlich unmöglich. In der Welt des Allerkleinsten passieren solche Absurditäten aber pausenlos. Kleinste Objekte, wie Atome oder deren Bestandteile, nennt man Quanten und die Physik, die sich mit ihnen beschäftigt, Quantenmechanik . Die Effekte in der Welt der kleinsten Teilchen sind meist sehr absurd, und nicht einmal die allerschlauesten Physiker können sich diese bildlich vorstellen. In diesem einleitenden Kapitel geht es um die Tatsache, dass Quanten sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften aufweisen. 12.1 Viele helle Streifen Licht als Welle In diesem Abschnitt geht es um ein legendäres Experiment, mit dem T HOMAS Y OUNG vor mehr als 200 Jahren zeigen konn- te, dass Licht Welleneigenschaften besitzt. Um die Aussage des Experiments zu verstehen, musst du Beugung und In- terferenz verbinden. Was ist Licht? Was wird dabei ausgesendet? Im 12. Jahr- hundert gab es zwei Ansichten. C HRISTIAN H UYGENS vertrat die Wellentheorie . I SAAC N EWTON war hingegen der Meinung, dass Licht ein Strom von Teilchen sei und vertrat somit die Teil- chentheorie . Newtons Autorität war dermaßen groß, dass sich seine Ansicht durchsetzte. Aber dann kam das Jahr 1801 , und T HOMAS Y OUNG stellte ein Experiment vor, mit dem er ein- deutig zeigen konnte, dass Licht Welleneigenschaften besitzt. Das von ihm erfundene Doppelspalt-Experiment ist ein absoluter Klassiker und wird bis heute durchgeführt. Warum war es ein starker Hinweis für die Wellentheorie des Lichts? Um die Aussagekraft des Experiments zu verstehen, muss man sich zuerst überlegen, was das Licht hinter einem Doppelspalt macht, je nachdem, ob es sich wie ein Teilchen oder wie eine Welle verhält. Nehmen wir zunächst an, Licht verhält sich wie ein Schauer von Teilchen . Auf einem Schirm Eine Wasserwelle läuft gegen eine Wand mit einem Doppelspalt (Abb. 12.1). Wie sieht das Wellenmuster hinter der Wand aus? Stell dir vor, du schießt mit einem Maschinengewehr durch einen Doppelspalt. Welche Form hätten dann die Bereiche der Einschlagstellen auf einer Wand dahinter? Warum kann man um die Ecke hören, aber nicht um die Ecke sehen? F1 Abb. 12.1: Wie läuft die Welle hinter der Wand weiter? F2 F3 hinter dem Doppelspalt müssten dann zwei helle Streifen entstehen, von jedem Spalt einer. R ICHARD F EYNMAN hat dazu gerne den Vergleich mit einem Maschinengewehr ge- braucht, mit dem man durch zwei Spalte schießt ( F2 ; Abb. 12.2). Abb. 12.2: Wenn du mit einem Maschinengewehr durch einen „Doppelspalt“ schießt, bekommst du dahinter zwei Streifen mit den Einschlagstellen der Geschosse. Was würde passieren, wenn sich Licht wie eine Welle ver- hält? Für alle folgenden Überlegungen nehmen wir an, dass das Licht nur aus einer Frequenz besteht, also monochroma- tisch ist. Hinter jedem der beiden Spalte gäbe es dann eine Kreiswelle (Abb. 12.3). Ihre Überlagerung würde zu Interfe- renzen führen, sodass sich an manchen Stellen das Licht verstärkt und an manchen komplett auslöscht. Wäre Licht also eine Welle, müsste man hinter dem Doppelspalt nicht nur zwei, sondern viele helle Streifen sehen ( F1 ; Abb. 12.4). Und genau das konnte Y OUNG mit seinem Doppel- spalt-Experiment zeigen: viele helle Streifen! Abb. 12.3: Wenn man jeweils einen der Spalte abdeckt, dann bekommt man das bekannte Muster einer Kreiswelle. Mit der Teilchentheorie konnte man den Ausgang des Dop- pelspalt-Experiments nicht erklären. Denn es müssten sich ja an den dunklen Stellen zwei Teilchen zu keinem addieren, quasi 1 + 1 = 0! Im Rahmen der Wellentheorie ist die Erklä- rung mit Hilfe der destruktiven Interferenz aber kein Pro- blem. Das Experiment von Young führte nach und nach zu einem Umdenken. Die Wellentheorie setzte sich schließlich durch und die Teilchentheorie wurde wieder verworfen. 35ub2b Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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