Big Bang HTL 4, Schulbuch

102 Thermodynamik und moderne Physik (IV. Jg., 8. Sem.) Zeitdehnung und Raumschrumpfung 10 Das letzte Kapitel war der Einstieg in die Spezielle Relativitätstheorie und du hast den ersten relativistischen Effekt kennen gelernt: die Relativität der Gleichzeitigkeit . In diesem Kapitel lernst du zwei weitere Effekte kennen: Zeitdehnung und Raum- schrumpfung . Beide klingen zunächst absurd, und das war einer der Gründe, warum es lange dauerte, bis die Spezielle Rela- tivitätstheorie anerkannt war – auch unter den physikalischen Kapazundern. Es gibt ja sogar noch heute Skeptiker, aber seit langem ist man in der Lage, diese scheinbar absurden Vorhersagen experimentell mit größter Genauigkeit zu belegen. 10.1 Rasende Lichtuhren Zeitdehnung qualitativ In diesem Abschnitt geht es um die verblüffende Tatsache, dass bewegte Uhren langsamer gehen. Um das nachzuvoll- ziehen, brauchst du nur die Konstanz der Lichtgeschwindig- keit. Man kann die Zeitdehnung aus den Grundannahmen der Speziellen Relativitätstheorie und einem Gedankenexperi- ment mit einer Lichtuhr ableiten. Darunter versteht man zwei Spiegel, zwischen denen ein Photon hin- und herpen- delt (Abb. 10.2). Wenn die Höhe der Lichtuhr 30 cm beträgt, braucht ein Photon von Spiegel zu Spiegel 1 ns ( F1 ). So viel Zeit liegt also zwi- schen den „Ticks“. Abb. 10.2: Jede Uhr braucht zur Zeitmes- sung einen periodischen Vorgang: ein schwingendes Pendel, eine Unruh oder einen Schwingquarz. Bei einer Lichtuhr pendelt ein Photon. Dieses Buch hat eine Höhe von rund 30 cm. Wie lang braucht das Licht, um diese Strecke zurückzulegen? Du hast an Bord deines Raumschiffes eine sehr genaue mechanische Uhr (Abb. 10.1), eine Quarzuhr und eine Atomuhr. Diese gehen – abgesehen von ihren generellen Gangungenauigkeiten – gleich schnell. Wie wäre das aber, wenn du dich mit hoher Geschwindigkeit bewegst, sagen wir mit 0,99 c ? Würden die Uhren dann immer noch gleich schnell gehen? Versuche mit Hilfe des Relativitätsprinzips zu begründen. F1 F2 Abb. 10.1: Uhren dieses Typs waren die bislang einzigen Uhren am Mond. Sie zeichnen sich durch ihre hohe Ganggenauigkeit unter extremen Bedingungen aus. In Abb. 10.3 a siehst du eine zu dir ruhende Lichtuhr. Ein Lichtblitz wird vom unteren Ende ausgesendet und erreicht nach einer Nanosekunde das obere Ende. Abb. 10.3: links: Diese Lichtuhr ruht relativ zu dir; rechts: Diese Lichtuhr bewegt sich von dir aus gesehen nach rechts. Was passiert nun aber mit einer zu dir bewegten Lichtuhr (Abb. 10.3 b)? Wenn sich die Lichtwelle auf einen Radius von 30 cm ausgedehnt hat, ist für dich eine Nanosekunde ver- gangen. In der nach rechts bewegten Uhr hat jedoch die Lichtwelle den oberen Rand noch nicht erreicht, es hat also noch nicht „getickt“. Aus Sicht der bewegten Uhr ist daher weniger Zeit vergangen. Ist das nicht sehr erstaunlich? Abb. 10.4: Man kann es auch so sehen: In einer ruhenden Lichtuhr (a) legt das Photon einen kürzeren Weg zurück als in einer bewegten (b). Die Lichtgeschwindigkeit ist aber immer gleich groß. Bei der bewegten Uhr liegt mehr Zeit zwischen den „Ticks“ – sie geht langsamer. Dieser Effekt gilt nicht nur für Lichtuhren, sondern generell für alle Uhren. Warum? Würde irgendeine Uhr bei Bewe- gung anders gehen als die anderen, dann hätte man ja eine Möglichkeit, seine Geschwindigkeit absolut zu messen. Und genau das verbietet das Relativitätsprinzip ( F2 ). Man kann also ganz allgemein sagen: Bewegt sich eine Uhr rela- tiv zu dir, so geht sie von dir aus gesehen langsamer. Diesen spektakulären Effekt nennt man Zeitdehnung oder Zeitdila- tation (siehe auch Abb. 10.4). Was man ebenfalls qualitativ bereits sehr gut verstehen kann, ist die Tatsache, dass die Zeitdehnung umso stärker ist, je schneller sich die Lichtuhr bewegt (Abb. 10.5). gb394cu Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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