Big Bang HTL 2, Schulbuch

Bereich Grundlagen der Chemie (II. Jahrgang, 3. Semester) 83 Nichtmetalle und technische Gase 6 –– Eine weitere Anwendung betrifft die Chlorung von Schwimmbädern und Pools. Die Zugabe von Chlor ist not- wendig als Desinfektionsmittel. Gesundheitsschädliche Keime und Algen werden abgetötet. In öffentlichen Bädern wird oft Chlor als Gas ins Wasser eingeleitet, für Privathaushalte gibt es verschiedene Mittel in Pulver- oder Tablettenform. Meist handelt es sich um Natrium- dichlorisocyanurat-Dihydrat (C 3 Cl 2 N 3 NaO 3 ). ( F5 ) Das ist eine chlor-organische Verbindung. Organisch ist in der Chemie eine Bezeichnung für Verbindungen, die Kohlen- stoff enthalten (Genaue Definition im Kap. 11). In einer chlor-organischen Verbindung stecken also unter anderem Kohlenstoffatome und Chloratome. Die Bezeichnung „orga- nisch“ sagt nichts aus über ev. umweltschützende Eigen- schaften oder ökologische Herstellungsweise. Oft werben Hersteller mit der Bezeichnung „organisch“, weil Konsumen- ten dann eher zu solchen Produkten greifen, im Glauben „etwas für die Umwelt“ getan zu haben. In Wirklichkeit ist in fast allen Produkten die gleiche chemische Grundverbin- dung drin, nämlich Natriumdichlorisocyanurat. Und die ist definitionsgemäß immer „organisch“, egal wie und woraus sie hergestellt wurde. Übrigens, der „Chlorgeruch“ in Schwimmbädern entsteht erst, wenn sich Chlor mit bestimmten stickstoffhältigen Molekülen verbindet. Dabei handelt es sich um Amino- säuren und Kreatinin aus Urin und Schweiß, daraus ent- stehen Chloramine mit dem typischen Geruch. ( F6 ) Abb. 6.5: Chlorgranulat zur Bekämpfung von Algen in Pools Die Geschichte der Chlor-Chemie Die Chlorchemie ist ein eigener Zweig der chemischen In- dustrie geworden. Interessant ist, wie es dazu kam: Anfang des 20. Jahrhunderts war die Chlor-Alkali-Elektrolyse erfunden worden, ein Verfahren um aus Kochsalz die benö- tigte Natronlauge (NaOH) herzustellen. (Siehe auch S. 130.) 2 NaCl + 2 H 2 O 2 NaOH + Cl 2 + H 2 Dabei entstehen Chlorgas und Wasserstoffgas in großen Mengen als Abfallprodukt. Den Wasserstoff konnte man gut gebrauchen, zum Füllen von Luftschiffen, und später zur Herstellung von Düngemitteln (Ammoniaksynthese siehe S. 101) Aber das Chlorgas wurde bald zum Problem, weil man nicht wusste was man damit anfangen sollte. i 6.3 Stickstoff Stickstoff steht in der 15. Gruppe des Periodensystems, seine Atome besitzen 7 Protonen und 7 Elektronen, 5 davon sind Valenzelektronen. So wie in allen anderen Elementgasen verbinden sich zwei Stickstoffatome zu einem Stickstoffmolekül, um Edelgaszu- stand zu erreichen. Die Atome bilden eine Dreifachbindung , die das Stickstoffmolekül sehr stark zusammenhält. |N N| Makroskopisch ist Stickstoff ein farb- und geruchloses Gas. Er kommt zu 78 Vol% in der Luft vor und ist somit deren Hauptbestandteil. Stickstoff ist ein inertes Gas, ein Gas das nur sehr schwer mit anderen Stoffen reagiert. Das liegt an der Dreifachbindung in den Stickstoffmolekülen. Die erste „kreative Anwendung“ hatte es gleich in sich: Der Überschuss an Chlor wurde kurzerhand als Kampfgas im 1. Weltkrieg eingesetzt. Chlorgasflaschen wurden vor den Schützengräben eingegraben und das Gas mit Hilfe von Rohren in Richtung Feind geblasen. Über 5000 Menschen starben so einen grausamen Tod. Aber auch nach dem ersten Weltkrieg herrschte ein chroni- scher Überschuss an Chlor. Das veranlasste die I. G. Farben (Vorläufer der Firma BASF) sogar dazu, ein Preisausschrei- ben zu veranstalten, um technische Anwendungen für Chlor zu finden. So arbeiteten viele Chemiker an dem Thema und es wurden immer neue Anwendungen für Chlorverbindun- gen gefunden. In Österreich produziert nur eine Firma, die Donau-Chemie AG an ihrem Standort in Brückl, Kärnten, Chlor mittels Chlor-Alkali-Elektrolyse. Obwohl Chlorverbindungen teilweise sehr giftig sind und lange in der Umwelt verbleiben, scheint ein Ausstieg aus der Chlorchemie schwer möglich. Zu groß ist der wirtschaft- liche Ertrag der beteiligten Konzerne und Firmen. Eine radi- kale Umstellung auf andere Herstellungsverfahren würde zu große Einbußen bedeuten und tausende Arbeitsplätze gefährden. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest ein allmähli- cher Umstieg auf ungefährlichere Produkte/Zwischenpro- dukte stattfindet. Warum heißt der Stickstoff Stickstoff? Woher hat er seinen Namen? Jeder von uns hat schon mal Produkte mit elementa- rem Stickstoffgas im Supermarkt gekauft. Welche? F7 F8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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