Malle Mathematik verstehen 8, Schulbuch

121 6.6 Ergänzende Bemerkungen zu Anteilstests Analogie 2: Indizienprozess bei Gericht Der Alternativhypothese entspricht hier die Schuldvermutung des Anklägers, der Nullhypothese entspricht die Unschuldsbehauptung des Angeklagten (siehe Abb. 6.8). An die Stelle einer Stich- probe treten polizeiliche Ermittlungen, an die Stelle des Stichprobenergebnisses treten ermittelte Indizien. Sind diese ausreichend, wird der Angeklagte verurteilt, andernfalls kann über seine Schuld bzw. Unschuld nichts ausgesagt werden. Das ganze Verfahren führt zu keiner Ver­ urteilung und war in diesem Sinn umsonst. In der Gerichtspraxis wird der Angeklagte in einem solchen Fall zwar mangels an Beweisen freigesprochen, das ändert aber nichts daran, dass die Schuldfrage ungeklärt bleibt. Nicht selten sucht der Ankläger nach neuen Indizien und versucht das Verfahren neu aufzurollen, in der Hoffnung, dabei die Unschuldsbehauptung verwerfen zu können. Abb. 6.8 Vergleich von einseitigen und zweiseitigen Anteilstests Es kann vorkommen, dass eine Nullhypothese durch einen einseitigen Anteilstest mit der Signifikanz α verworfen werden kann, nicht jedoch durch einen zweiseitigen Anteilstest mit der Signifikanz α (vgl. Aufgabe 6.50). Warum dies passieren kann, ist aus nebenstehender Abbildung ersichtlich. Ergibt sich in der Stichprobe ein Wert H = k wie eingezeichnet, kann die Nullhypothese im Falle eines einseitigen Tests verworfen werden, im Falle eines zweiseitigen Tests aber nicht. Man hat also beim einseitigen Testen mehr „Chancen“ die Nullhypothese zu verwerfen, als beim zweiseitigen Testen. Damit erhebt sich die Frage: Falls es bei einem zweiseitigen Test nicht ge- lingt, die Nullhypothese zu verwerfen, darf man dann auf einen einseitigen Test umsatteln, in der Hoffnung, dass man die Nullhypothese dann verwerfen kann? Die Antwort auf diese Frage lautet: Nein, man darf es nicht. Die Entscheidung, ob einseitig oder zweiseitig getestet werden soll, muss bereits vor der Erhebung der Stichprobe getroffen werden und zwar aufgrund sachlicher Überlegungen und aufgrund des verfügbaren Informationsstandes. Weiß man über den betreffenden Anteil nicht viel, wird man zweiseitig testen. Gibt es jedoch gute Gründe, zu vermuten, dass der Anteil größer (bzw. kleiner) als der behauptete Wert ist, wird man einseitig testen. Der Informationsstand kann sich natürlich ändern und damit auch die Art des ange­ wandten Tests. Testet man etwa eine Anteilsbehauptung sehr oft zweiseitig und erhält man in den Stichproben stets größere Anteile als behauptet, kann dies zur Vermutung führen, dass der relative Anteil größer ist als behauptet. Daher kann man beschließen, das nächste Mal einen ein- seitigen Test nach oben durchzuführen. Aufgaben Vertiefung 6.50 Bei einer Serienproduktion beträgt der Anteil der Stücke minderer Qualität erfahrungsgemäß 20%. Dieser Anteil soll durch einen Test mit der Signifikanz 0,05 geprüft werden. In einer Stichprobe von 500 Stück erhält man 116 solche Stücke. Zeige, dass die Nullhypothese verworfen werden kann, wenn man rechtsseitig testet, aber nicht, wenn man zweiseitig testet! Polizeiliche Ermittlungen nicht ausreichend Unschulds- behauptung Unschuldsbehauptung wird verworfen Indizien ausreichend ? k α –2 α –2 α Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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