Malle Mathematik verstehen 8, Schulbuch

111 6.2 Einseitige Anteilstests 6.21 Die Stadtverwaltung behauptet, dass in der Domstraße ein Viertel der Autofahrerinnen und Autofahrer die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbeschränkung (30km/h) nicht beachtet. Eine Journalistin hält dies für übertrieben. In einer Stichprobe von 300 durch diese Domstraße fahrenden Autos findet sie nur 70 vor, die zu schnell fahren (also weniger als ein Viertel). Kann sie die Behauptung der Stadtverwaltung mit der maximalen Irrtumswahrscheinlichkeit 0,05 verwerfen? Lösung: Es sei p der relative Anteil der Autos, die in der Domstraße zu schnell fahren. Wir führen einen einseitigen Anteilstest nach unten durch: 1. Nullhypothese ​H​ 0 ​: p = 0,25 Alternativhypothese ​H​ 1 ​: p < 0,25 (Behauptung der Stadtverwaltung) (Vermutung der Journalistin) 2. α = 0,05 3. k = 70 4. Falls die Nullhypothese ​H​ 0 ​gilt, ist H annähernd binomialverteilt mit n = 300 und p = 0,25. Wegen n · p · (1 – p) = 300 · 0,25 · 0,75 = 56,25 > 9 kann diese Verteilung näherungsweise durch eine Normalverteilung mit folgenden Parametern ersetzt werden: μ = n · p = 300 · 0,25 = 75 und σ = ​ 9 _______ n · p · (1 – p)​= ​ 9 _________ 300 · 0,25 · 0,75​= 7,5 Irrtumswahrscheinlichkeit der Journalistin: P(H ª 70) = Φ ​ 2  ​  70 – 75 _ 7,5  ​  3 ​≈ Φ (– 0,67) ≈ 0,2514. 5. P(H ª 70) > α . Somit kann die Nullhypothese ​H​ 0 ​(Behauptung der Stadtverwaltung) mit der maximal zugelassenen Irrtumswahrscheinlichkeit 0,05 nicht verworfen werden. Was bedeutet das Verwerfen einer Nullhypothese? Heißt dies, dass die Nullhypothese nicht gilt? Mit Sicherheit kann man dies leider nicht sagen, denn man könnte die Nullhypothese ja aufgrund des vorliegenden Stichprobenergebnisses irrtümlich verworfen haben. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber klein, nämlich höchstens gleich der Signifikanzzahl α . Man kann dies so interpretieren: Würde man sehr oft Stichproben vom Umfang n erheben und dabei jedes Mal die Nullhypothese bei einem Stichprobenergebnis H º k (bzw. H ª k) verwerfen, so würde man sich in höchstens (100 · α) % aller Stichproben irren, falls die Nullhypothese doch gilt. Bemerkung: Kann H 0 mit der maximalen Irrtumswahrscheinlichkeit α verworfen werden, so kann H 1 mit der maximalen Irrtumswahrscheinlichkeit α angenommen werden. Was bedeutet das Nichtverwerfen einer Nullhypothese? Heißt dies, dass die Nullhypothese gilt? Leider kann man auch das nicht mit Sicherheit sagen. Denken wir etwa an die Herstellerfirma, die behauptet, dass 2% ihrer Minen unbrauchbar sind. Falls es die vorliegende Stichprobe nicht gestattet, die Behauptung der Herstellerfirma zu ver- werfen, weil die relative Häufigkeit der unbrauchbaren Minen in der Stichprobe nicht allzu sehr von 2% abweicht, heißt dies noch lange nicht, dass die Herstellerfirma Recht hat. Ein derartiges Stichprobenergebnis könnte bloß zufällig eingetreten sein. Wenn eine Nullhypothese aufgrund eines vorliegenden Stichprobenergebnisses nicht verworfen werden kann, kann über die Gültigkeit der Nullhypothese (und damit auch über die Gültigkeit der Alternativhypothese) nichts ausgesagt werden. Der Test war umsonst. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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