Malle Mathematik verstehen 7, Schulbuch

239 10.5 Konstruktion der komplexen Zahlen aus den reellen Zahlen Was bedeutet „Existenz“ in der Mathematik? Wir können mit einiger Sicherheit annehmen, dass dieses Buch, unsere Schule, die Erde usw. existieren. All dies können wir sehen, greifen, mit den Sinnen erfassen. Aber gibt es die reellen Zahlen? Gibt es den genauen Wert von ​ 9 _ 2​? Was bedeutet überhaupt „es gibt“ in der Mathematik? Die Gegenstände der Mathematik sind nicht sinnlich erfassbar, sie existieren nur in unserem Denken. Dies gilt etwa für Objekte der Geometrie oder der Arithmetik. In der sinnlich wahrnehm- baren Umwelt gibt es keine Punkte oder Geraden, bestenfalls Annäherungen. Ebenso gibt es in der sinnlich wahrnehmbaren Welt keine natürlichen Zahlen, obwohl diese zum Zählen oder Ver- gleichen verwendet werden können. Dabei ist auch gar nicht sicher, ob wirklich jeder natürlichen Zahl eine Gegebenheit in der Natur entspricht, etwa wenn eine natürliche Zahl größer ist als die Anzahl aller Elementarteilchen im Weltall. Die Gegenstände der Mathematik sind also Denkobjekte . Es ist allerdings nicht so, dass alles, was man denken kann, automatisch zu den Gegenständen der Mathematik gerechnet wird. In früheren Zeiten war es – wie die komplexen Zahlen zeigen – zur Anerkennung der Existenz mathematischer Objekte wichtig, dass eine anschauliche Darstellung für diese Objekte gefunden wurde. In der heutigen Mathematik gibt es viele Objekte, die nicht anschaulich dargestellt werden können, sodass diese Forderung nicht mehr erhoben wird. Man darf somit alles als existent annehmen, was auf keine Widersprüche führt. Kurz gefasst kann man feststellen: Existenz bedeutet Widerspruchsfreiheit. Bislang sind über reelle Zahlen und über komplexe Zahlen keine Widersprüche aufgetaucht, weshalb man diese Zahlen bis auf weiteres als existent annehmen darf. Es gibt jedoch Mathematikerinnen und Mathematiker, die „Existenz“ nicht einfach mit „Widerspruchsfreiheit“ gleichsetzen wollen und Standpunkte vertreten, die viele schwierige Fragen aufwerfen (zB wie die Widerspruchsfreiheit begründet werden kann). Was „Existenz“ in der Mathematik bedeutet, ist also letztlich eine offene Frage und wird es wohl auch immer bleiben. Nicht alles, was widerspruchsfrei ist, ist auch automatisch für die Mathematik interessant. Manche Mathematikerinnen und Mathematiker verlangen neben der Widerspruchsfreiheit noch, dass die betreffenden Denkobjekte für die Mathematik in irgendeiner Weise nützlich sind, zum Beispiel für den Aufbau einer Theorie oder für bestimmte Anwendungen. Die komplexen Zahlen haben sich in vielen innermathematischen Gebieten als nützlich erwiesen (zum Beispiel in der Funktionentheorie, in der Zahlentheorie, in der Algebra oder in der Geometrie), aber auch in vielen außermathematischen Anwendungsgebieten (zum Beispiel in der Schwingungslehre, der Elektrotechnik, der Strömungslehre oder der Computertechnik). Aufgaben Vertiefung 10.34 Berechne mit Hilfe der Formeln für die Addition und Multiplikation von reellen Zahlenpaaren und überprüfe das Ergebnis mit Hilfe der bisher üblichen Schreibweise für komplexe Zahlen: a) (3 1 – 2) + (4 1 6) c) (1 1 1) · (5 1 – 2) e) (u 1 v) + (–u 1 – v)  g) (1 1 2) + (2 1 –1) · (3 1 4) b) (8 1 7) + (– 3 1 –1) d) (3 1 – 5) · (2 1 2) f) (u 1 v) · (u 1 – v)  h) (3 1 3) + (6 1 3) · (–5 1 1) 10.35 Stelle eine Formel für  a) die Subtraktion (a 1 b) – (c 1 d),  b) die Division (a 1 b) : (c 1 d) reeller Zahlen­ paare auf! B Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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