Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

96 Im Alltagsverständnis gebrauchen wir den Begriff Vorurteil, um ausgeprägte posi- tive und negative Urteile oder Einstellungen eines Mitmenschen über ein Vorur- teilsobjekt zu bezeichnen, wenn wir diese für nicht realitätsgerecht halten und der Betreffende trotz Gegenargumenten nicht von seiner Meinung abrückt. Da wir in unseren Urteilen zumeist nur unsere Sichtweise wiedergeben und Urteile fast immer gewisse Verallgemeinerungen enthalten, sind in jedem Urteil Momente des Vorurteilshaften zu finden. Werner Bergmann: Was sind Vorurteile? In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Informationen zur politischen Bildung, Heft 271 (2006), S. 4. Der Sozialwissenschafter und Antisemitismusforscher Werner Bergmann unternimmt hier den Versuch einer sehr umfassenden Definition des Begriffs Vorurteil . Sie bezieht auch positive Vorurteile mit ein und hebt den zentralen Umstand hervor, dass Vorur- teile stets auf ungenauen Kenntnissen, Vereinfachungen oder unzulässigen Verallge- meinerungen (Stereotypen) beruhen. Manche Autorinnen/Autoren haben versucht, Vorurteile positiv zu bewerten. Sie dienten doch, so führen sie aus, einer gewissen Orientierung in einer komplexen Welt und machten das Alltagsleben leichter bewältigbar. Irgendwie würden viele Vorurteile auf gemeinsamen Erfahrungen in Gruppen basieren, auf Traditionen eben, und Fehler könnten durch Überlegung im Einzelfall ausgeglichen werden. Dem ist entgegenzu- halten, dass Vorurteile in der Regel nicht neutral sind, sondern Abwertungen von Personen oder Gruppen enthalten, ohne die geringste rationale Begründung dafür vorweisen zu können. Derlei kann letzten Endes nur die Basis für fragwürdige Ideen und Verhaltensweisen sein, die anderen Schaden zufügen, ohne dass die Betroffenen irgendeinen Anlass dazu geliefert hätten. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Fassen Sie die Vorurteilsdefinition von Werner Bergmann in eigenen Worten zusam­ men! Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie Für und Wider von Vorurteilen! Tun Sie dies in einer ProundContraDiskussion! 1.5 Einstellungen, Meinungen, Überzeugungen Wir versuchen uns permanent in der Welt zu orientieren. Dies tun wir zwangsläufig, und wir tun es nicht allein aufgrund von Wissensbeständen. Diese bleiben ohnehin oft genug hinter dem zurück, was wir im Grunde genommen über eine Sache wissen müssten, um sie angemessen und ausgewogen bewerten oder beurteilen zu können. Schon allein deshalb beziehen wir bei unseren Einschätzungen oder Entscheidungen gerne Überzeugungen und Grundhaltungen ein, häufig ganz selbstverständlich und unbewusst. In diesem Zusammenhang spielen Begriffe wie Meinung oder Einstellung eine große Rolle. Mit beidem sind in der Regel Bewertungen von Themen, Ereignissen, Zuständen, Menschen oder anderen Lebewesen gemeint. Sie gründen teils auf AusFüHrunG Werner Bergmann (geb. 1950) VerTieFunG Stereotyp von griechisch stereós , „fest“, und týpos , „Form“; eine festgefügte Form von Vorstellungen oder Ansichten über Personen oder Dinge 2 3 t GrundlaGen Nur zu Prüf wecken – Eigentum des Verlags öbv

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