Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

95 1.4 Soziales Umfeld und Vorurteile In jeder Gruppe von Menschen und mithin auch in jenen Großgruppen, die wir Gesellschaft nennen, gibt es bestimmte Arten, die Welt zu sehen, die weder logisch noch sonstwie als zwingend einzustufen sind. Im Gegenteil, es kann sich sogar um manifeste Vorurteile handeln. Meist gründen Vorurteile oder unzutreffende vorge­ fasste Meinungen auf unzulässigen oder fragwürdigen Verallgemeinerungen, etwa der Art: Alle Frauen interessieren sich brennend für Schuhe, Männer wollen nur das eine, Kinder verstehen gar nichts. Das ändert aber nichts daran, dass wir alle vorgefas- ste Meinungen mit uns herumtragen, welchen Inhalts sie auch immer sein mögen. Immerhin vereinfachen sie uns das Leben scheinbar enorm, ermöglichen es, dass wir uns auf schlichte Weise in einer komplexen Welt einrichten, und geben uns Richtlinien für das eigene Verhalten an die Hand, ohne dass wir groß darüber nachdenken müssen, ob sie denn auf richtigen Annahmen gründen oder auch nur in Einzelfällen zutreffen. Da sie in den meisten unserer Umfelder geteilt werden, haben wir oft auch gar keine Veranlassung, sie zu hinterfragen. Dies ergibt sich oft erst, wenn sich Menschen ungerecht behandelt fühlen und entsprechend auf sich aufmerksam machen. Dann ist aber oft schon einiges an unschönen Dingen geschehen. Ganz allgemein enthalten unsere Weltbilder aber schon erziehungsbedingt zahlreiche Elemente, die wir zunächst einmal unhinterfragt voraussetzen und in einer Weise für selbstverständlich nehmen, dass sie unsere Wahrnehmung ganz entschieden formen. So gehen in unseren Kulturkreisen nach wie vor sehr viele Menschen davon aus, dass es höflich sei, jemanden so zu begrüßen, dass man ihr/ihm die Hand reicht und gleichzeitig in die Augen blickt. Wer woanders hinschaut, die Hand nicht ausstreckt oder gar den angebotenen Handschlag verweigert, wird weithin als unhöflich wahrge- nommen, auch wenn sie/er es gar nicht böse meint, sondern sich nur vor der Übertra- gung von Bakterien fürchtet. Auch gemachte Erfahrungen prägen künftige Wahrnehmungen; wer einmal finanziel- len Schaden erlitten hat, weil ihn sein/e Bankberater/in schlecht beraten hat, wird unter Umständen allen Bankberaterinnen/-beratern mit größtem Misstrauen begeg- nen, selbst wenn diese in bester Absicht handeln. Womöglich geht dies so weit, dass sie/er selbst dann noch Betrug wittert, wenn sie/er hört, dass jemand mit einem vorgeschlagenen Anlagemodell Gewinn macht: „Bloß ein Ablenkungsmanöver“, mag sie/er dann denken oder sogar laut sagen, „das dicke Ende kommt noch.“ Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Bilden Sie Gruppen und machen Sie ein Brainstorming zum Thema feste Überzeugun­ gen in der Gesellschaft, die als selbstverständlich gelten ! Präsentieren Sie ihr Ergebnis der Klasse! GrundlaGen úú Kapitel 6.3 1 Soziale Phänomene Soziale Phänomene 3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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