Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

94 Was wir zumeist als „objektive“ Wirklichkeit betrachten, entsteht in der Regel dadurch, dass unser eigenes Erleben von anderen bestätigt wird. Dinge, die nicht nur von uns, sondern auch von anderen wahrgenommen werden, gelten ganz all- gemein, d. h. im Alltagsleben wie auch in der Epistemologie, als real. Intersubjek- tive Wiederholung von Erlebnissen liefert die sicherste Garantie der „objektiven“ Wirklichkeit. Ernst von Glasersfeld: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität. In: Claus Pias u. a. (Hg.), Handbuch Medienkultur (3. Aufl. 2000), S. 365. Wenn wir eine durchscheinende grünliche Gestalt durch den Raum schweben sehen, sind wir froh, wenn andere diese Erfahrung teilen, denn dann können wir uns beruhi- gen: Wir haben wohl keine Halluzination. Aber vielleicht teilen wir sie auch nur mit anderen? Unwahrscheinlich wird dies, wenn viele Details des Wahrgenommenen übereinstimmen. Andererseits: Alle stimmen nie überein. Dennoch: Ein wichtiges Kriterium dafür, dass sich etwas tatsächlich zugetragen hat, ist meist, dass andere es bestätigen, vor allem im alltäglichen Leben. Keine Frage, verlassen sollte man sich auf derlei Wirklichkeitsgarantien nie. Wenn die eigenen Sinne und das eigene Urteil anderes sagen, ist man gut beraten, im Zweifel darauf zu vertrauen und nachzuforschen, warum die anderen zu einer einhellig anderen Einschätzung gelangen. Ansonsten sind der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Während uns andere scheinbar die Wirklichkeit der äußeren Welt garantieren, treffen wir unbewusst oder bewusst ständig eine Auswahl, welche anderen das sein sollen, auf wen wir uns ein- und verlassen wollen. Beide Aspekte hängen insofern eng zusammen. Unsere Wirklichkeiten haben immer eine soziale Komponente, nicht nur, weil wir meistens irgendwie mit anderen zu tun haben, sondern weil genau diese anderen auch wiederum durch ihre Wahrnehmungen unsere Wahrnehmungen beeinflussen. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Lesen Sie die zitierte Textpassage von Glasersfeld und fassen Sie sie in eigenen Worten zusammen! Beurteilen Sie die Ausführungen Glasersfelds! In welcher Hinsicht würden Sie ihnen zustimmen, wo sehen Sie Probleme? Geben Sie auf der Grundlage Ihres eigenen Erlebens Beispiele für das Zusammen­ wirken von Wahrnehmung und sozialer Welt! Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie Ihre Erfahrungen! AusFüHrunG úú Kapitel 2.1 VerTieFunG 2 3 t 4 r Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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