Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
32 3.3 Wichtige zeitgenössische Strömungen Angesichts des großen Einflusses, den die life sciences gegenwärtig im Wissenschafts- leben ausüben, nehmen auch die Gehirnforschung, die Genetik und die Neurowissen- schaften einen hohen Stellenwert ein. Dies macht sich auch in der Psychologie deutlich bemerkbar. Viele Psychologinnen/Psychologen orientieren sich an Gehirn- forschung und Genetik. Biologische Faktoren wie insbesondere neuronale Verschal- tungen im Gehirn oder genetische Vorgaben erscheinen ihnen auch als Ursachen psychischer Entwicklungen und Probleme. Allerdings gehen auch psychobiologische Ansätze davon aus, dass Verhalten sich auf biologische Prozesse auswirkt. Wenn wir beispielsweise lesen oder schreiben lernen, macht dies etwas mit dem Gehirn; irgendetwas verändert sich auch dort. Deshalb könnten durchaus auch andere Verhaltensweisen Auswirkungen auf die Gehirn- tätigkeit haben, die ansonsten durch körperliche, genetisch bedingte Anlagen geprägt sei. Aber ist menschliches Verhalten tatsächlich so weitgehend determiniert? Auch wenn immer wieder erklärt wird, wie weit Gehirnforschung und Genetik mittlerweile gediehen seien, bleiben noch immer viele Fragen offen. Vor allem sagt die Beschrei- bung zellphysiologischer Prozesse im Gehirn noch nicht zwingend etwas über Kausalbeziehungen zu Verhaltensweisen aus. Diese sind Gegenstand von Theoriebil- dungen, die ihrerseits niemals vollständig außer Zweifel stehen können. Andere Zugänge in der Psychologie beschäftigen sich daher ein wenig zurückhaltender mit Fragen der Kognition und Wahrnehmung, ohne gleich von einer vollständigen Determinierung derselben durch die Struktur des Gehirns oder genetische Anlagen auszugehen. Wir haben gesehen, dass das Verhalten , insbesondere jenes von Menschen, ein wichtiger Aspekt psychologischer Forschung und Praxis ist. Behavioristische Ansätze, die insbesondere während der 1950er-Jahre in den Vereinigten Staaten entwickelt worden sind, gingen davon aus, dass menschliches Verhalten vollständig erlernbar sei. Psychologen wie beispielsweise Burrhus Frederic Skinner nahmen an, dass Verhal- tensmuster mehr oder weniger an- und abtrainiert werden könnten. Da jedes Verhal- ten irgendwie erlernt wird, hielten sie die Frage nach etwaigen tiefer gehenden Ursachen oder Bedingungen für irrelevant. Demgegenüber entwickelten sich huma- nistische Ansätze wie jener des Psychologen und Psychotherapeuten Carl Rogers, der von einem geistigen Eigenleben des Individuums ausging, das ebenfalls zu berück- sichtigen sei. Neben diesen Ansätzen haben in der Psychologie nach wie vor psychodynamische Ansätze ihren Stellenwert. Dabei ist insbesondere an die Psychoanalyse zu denken, die um das Zusammenspiel unterschiedlicher Kräfte in der menschlichen Psyche kreisen. Das Wechselspiel dieser Kräfte (Instinkte, Triebe, Bedürfnisse, soziale Zwänge) macht demnach die Dynamik des Seelenlebens aus. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Stellen Sie die genannten Strömungen der Psychologie in Stichpunkten dar! Recherchieren Sie auch wichtige Vertreter/innen dieser Strömungen! GrundlaGEn úú Kapitel 2 úú Kapitel 4 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=