Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
145 4 Persönlichkeit und Persönlichkeitsdiagnostik Eine ausgeglichene Persönlichkeit zu sein erscheint vielen als bestes Zeichen psychischer Gesund- heit. Doch was ist überhaupt eine Persönlichkeit – und wie lässt sich feststellen, ob sie intakt ist? 4.1 Persönlichkeit Obwohl – oder gerade weil – Persönlichkeit in der Psychologie ein sehr zentraler Begriff ist, werden ihm durchaus unterschiedliche Inhalte zugeschrieben. Dies hängt damit zusammen, dass es je nach psychologischer und psychotherapeutischer Richtung unterschiedliche Menschenbilder gibt, aus denen unterschiedliche Vorstel- lungen von Person oder Persönlichkeit hervorgehen. Schon die entwicklungstheoreti- schen Ansätze des vorangegangenen Unterkapitels lassen hinlänglich erkennen, dass im Grunde jedes der dargestellten Modelle unterschiedliche Facetten des Mensch- Seins betont und deshalb auch die Entwicklung unterschiedlicher Persönlichkeiten im Blick hat. Ist in psychologischen Lehr- und Handbüchern von Persönlichkeit die Rede, so ist meist an spezifische, individuelle Menschen in ihrem konkreten Verhältnis zu der sie umgebenden Welt gedacht. Zugleich lässt aber jeder entwicklungstheoretische Ansatz die Vorstellung erkennen, dass es bestimmte Persönlichkeitsstrukturen gibt, die positiv, und andere, die negativ bewertet werden. Ganz ausdrücklich findet dieser Gedanke etwa im Modell Eriksons Ausdruck, da gelungene Entwicklungsverläufe dort sogleich misslungenen Varianten gegenübergestellt werden. Mithin spiegelt jede menschliche Persönlichkeit bei all ihren individuellen Facetten aus entwicklungspsy- chologischer Sicht Kategorien wider, von denen angenommen wird, es handle sich bei ihnen um etwas Allgemein-Menschliches. Dem entspricht es auch, dass ein breites Feld psychologischer und psychiatrischer Diagnostik der Frage nach Persönlichkeitsstruktur und Persönlichkeitsstörungen nachgeht. Solche Tests werden nicht nur in klinischen Zusammenhängen vorgenom- men, sondern beispielsweise auch bei vielen Bewerbungs- oder anderen Eignungsver- fahren. Letztere sind für manche Berufe gesetzlich vorgeschrieben, deren Angehörige besonderen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt sind, beispielsweise Fluglotsinnen/-lotsen oder Berufssanitäter/innen. Getestet wird nicht allein die psychische Belastbarkeit; oft wird versucht, die Gesamtpersönlichkeit zu erfassen und zu prüfen, ob die getestet Person bestimmten sozialen Normvorstellungen entspricht oder nicht. So wird bei Bewerbungsverfahren nicht selten die Geschlechtsidentität als Teil der Persönlichkeit getestet. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Erörtern Sie gemeinsam mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn den Begriff Persönlichkeit ! Was verstehen Sie selbst darunter – und warum? GrundlaGen 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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