Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

143 führen würde. Dies mag stark vereinfachend und sehr optimistisch sein. Was Erikson jedoch sehr deutlich gesehen hat, war, dass die psychische Entwicklung von Men- schen nicht im luftleeren Raum erfolgt, sondern in sozialen und kulturellen Zusam- menhängen. Sowohl das heranwachsende Individuum als auch die soziokulturellen Rahmenbedingungen stehen in einer nicht auflösbaren Beziehung zueinander. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Beurteilen Sie gemeinsam mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn den Begriff UrVertrauen ! Können Sie damit etwas anfangen? Wenn nicht, wo sehen Sie Probleme? Untersuchen Sie Eriksons Modell im Hinblick auf die Frage nach der Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit! Welche Elemente müssen erfüllt sein? Und wie beurteilen Sie dieses Ergebnis? 3.4 Kognitive Entwicklung nach Piaget Der Biologe und Psychologe Jean Piaget entwickelte seit den 1950er-Jahren Modelle der kognitiven Entwicklung von Menschen. Er betrachtete Menschen als wandlungs- fähige organische Systeme, die prinzipiell für Umwelteinflüsse offen seien, auf sie reagieren und sich mit dem Ziel des eigenen Überlebens an diese anpassen könnten. Bis zum 2. Lebensjahr entwickelt sich nach Piaget die sensomotorische Intelligenz . Langsam, in Entsprechung zu körperlichen Veränderungen, vor allem zur Steigerung der motorischen Fähigkeiten, erwirbt das Kind praktische Intelligenz , kann also einfache Hilfsmittel gebrauchen und ist in der Lage, Objektkonstanz zu entwickeln. Es hat also eine Vorstellung von der primären Bezugsperson, auch wenn diese gerade nicht in Sicht- oder Hörweite ist, und kann zu ihr eine Beziehung aufrechterhalten, die von der Befriedigung aktueller Bedürfnisse (wie Hunger oder der Wunsch nach Zuwendung) relativ unabhängig ist. Zwischen dem 2. und 7. Lebensjahr entsteht nach Piaget die präoperationale Intelli- genz . Das Kind handelt mehr und mehr auch auf gedanklicher Ebene. Bildliche Vorstellungen und sprachlicher Ausdruck bestimmen die mentale Welt des Kindes. Als präoperational bezeichnet Piaget dieses Stadium, weil das Kind noch nicht gedanklich mit den Vorstellungen, die es hat, operieren kann. Logische oder abstrakte Denkleis- tungen spielen hier noch keine Rolle. Zwischen dem 7. und 12. Lebensjahr siedelt Piaget das Stadium der konkret-operatio- nalen Intelligenz an. Die Heranwachsenden merken nun nach und nach, dass bestimmte Eigenschaften einer Sache nicht veränderlich sind (Invarianz). Sie sind in der Lage, Objekte nach bestimmten Kriterien (z. B. Größe, Höhe, Farbe) zu klassifizie- ren. In ihren Denkbewegungen werden die Jugendlichen flexibler. So sind sie auch in der Lage, in Gedanken zurückzugehen und durchgeführte Denkoperationen wieder rückabzuwickeln. Ab dem 12. Lebensjahr setzt die Fähigkeit zu logischen Denkakten und des Nachden- kens über Gedanken (Piaget spricht vom Operieren mit Operationen ) ein. Dieses Stadium ist Piaget zufolge jenes der formal-operationalen Intelligenz . 2 r 3 GrundlaGen úú Kapitel 2.3.4 Jean Piaget (1896–1980) Persönlichkeit und Entwicklung Persönlichkeit und Entwicklung 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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