Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
142 6. Stufe (ca. 16.–30. Lebensjahr): Hier soll der Aufbau intimer Beziehungen erreicht werden, was angesichts zunehmender Schnelllebigkeit des Alltags- und Berufslebens sowie wachsender Mobilität von Menschen schon in den späten 1950er-Jahren, als Erikson sein Modell entwickelte, als Problem erkennbar wurde. Liebesfähigkeit und aktive Teilnahme am Leben stehen jedenfalls im Zentrum dieser Lebensperiode. Scheitern führt zu Isolierung und Rückzug; Konkurrenz wird dann ebenso vermieden wie Kooperation. 7. Stufe (ca. 30.–60. Lebensjahr): In diesem Abschnitt steht die Sorge um künftige Generationen im Zentrum (Erikson spricht von Generativität ). Eigene Kinder werden gezeugt und großgezogen, doch darin erschöpft sich das Potential dieser Stufe nicht. Erikson rechnet auch Unterricht ganz allgemein, auch wissenschaftliches, künstleri- sches und soziales Engagement zur Generativität. Im Fall des Scheiterns tritt Stagna- tion an die Stelle der Generativität. 8. Stufe (ab ca. dem 60. Lebensjahr): Menschen fangen nun an, auf ihr Leben zurück- zublicken. Erscheint es ihnen geglückt, so sind sie weitgehend mit sich im Reinen; sie nehmen ihr Leben an und erreichen ein Stadium der Integrität. Betrachten sie es hingegen als gescheitert, tragen sie ihres Lebens Last – und verzweifeln. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Stellen Sie Eriksons Entwicklungsmodell im Vergleich zu den Ansätzen von Freud und Mahler dar! Wo liegen Gemeinsamkeiten, worin bestehen die markantesten Unter schiede? Als erste Komponente der gesunden Persönlichkeit nenne ich das Gefühl eines Ur-Vertrauens , worunter ich eine auf die Erfahrungen des ersten Lebensjahres zurückgehende Einstellung zu sich selbst und zur Welt verstehen möchte. Mit „Ver- trauen“ meine ich das, was man im allgemeinen als ein Gefühl des Sich-verlassen- Dürfens kennt, und zwar in bezug auf die Glaubwürdigkeit anderer wie die Zuver- lässigkeit seiner selbst. Wenn ich davon als einer Ur-Erfahrung spreche, so meine ich damit, daß weder diese noch die später hinzutretenden Komponenten sonder- lich bewußt sind, in der Kindheit so wenig wie im Jugendalter. Tatsächlich gehen alle diese Kriterien, wenn sie sich in der Kindheit entwickeln und im Jugendalter integriert werden, in der Gesamtpersönlichkeit auf. Erik H. Erikson: Identität und Lebenszyklus (15. Aufl. 1995), S. 62. An diesen Ausführungen zum Ur-Vertrauen wird deutlich, wie Erikson sein Entwick- lungsmodell denkt. Es soll, wenn alle Etappen günstig verlaufen, zu einer gesunden Persönlichkeit hinführen. Wenn dies (einigermaßen) gelingt, bleiben die positiven Erfahrungen der einzelnen Stufen auch im Gesamtresultat spür- und erkennbar. Erikson ging von einer engen Interaktion zwischen Individuum und seiner Umgebung bei der Absolvierung der einzelnen Stufen aus. Im Wesentlichen ging er davon aus, dass wechselseitige Anerkennung von Individuum und der Gemeinschaft, der es ange- hört, zu einer gedeihlichen Entwicklung und vor allem zu deren glücklichem Abschluss 1 AuSFüHrunG VerTieFunG Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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