Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
141 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Beschreiben Sie mit eigenen Worten, was nach Mahler die Wiederannäherungsphase kennzeichnet und von früheren Phasen unterscheidet! Erklären Sie unter Berücksichtigung Ihrer inzwischen erworbenen Kenntnisse der Psychoanalyse, weshalb in der beschriebenen Weise von Objektbeziehungen gespro chen wird. 3.3 Entwicklungsstufen nach Erikson Ein weiteres wichtiges entwicklungspsychologisches Stufenmodell stammt vom Psychoanalytiker Erik H. Erikson. Es verbindet Freuds Ansatz mit sozialpsychologi- schen Entwicklungen. Das Kind steht in Beziehung zu seiner Umwelt, und diese Wechselwirkung sollte es ermöglichen, auf jeder Stufe eine bestimmte Entwick- lungsaufgabe zu erarbeiten. Erikson beschränkt menschliche Entwicklung dabei nicht auf die Kindheit. 1. Stufe (Geburt bis ca. 1. Lebensjahr): Hier entsteht im günstigen Fall ein grundle- gendes Vertrauen gegenüber der primären Bezugsperson. Dieses Ur-Vertrauen beschreibt Erikson als ein Gefühl des Sich-verlassen-Dürfens . Misslingt die Beziehung zur primären Bezugsperson, wandelt sich dieses jedoch in ein Ur-Misstrauen , ein Gefühl der Verlassenheit . Welches Grundgefühl auf dieser Entwicklungsstufe entsteht, ist nach Erikson für die spätere Grundstimmung eines Menschen gegenüber der Welt wesentlich. 2. Stufe (ca. 2–3. Lebensjahr): Dieses Stadium gilt Erikson als grundlegend für die Balance von Liebe und Hass, aber auch für die Möglichkeit, das eigene Wollen und Nichtwollen angemessen artikulieren zu können. Ein Gefühl der Autonomie soll hier entstehen. Gelingt dies nicht, entstehen Scham und (Selbst-)Zweifel, Gefühle der eigenen Unzulänglichkeit. Zwangsneurosen können in diesem Stadium ihren Ausgang nehmen. 3. Stufe (ca. 3.–5. Lebensjahr): Bei Erikson bricht die symbiotische Beziehung zwischen primärer Bezugsperson (auch in seinem Fall durchwegs die Mutter) und Kind auf, das Kind erkennt, dass auch noch andere Personen im Leben der Mutter wichtig sind. Es kann nun initiativ werden und nach Unabhängigkeit streben. In diesem Zusammen- hang entwickeln sich dann auch langfristig wirksame Moralvorstellungen. Gelingt dieser Entwicklungsschritt nicht, entstehen Schuldgefühle, das Gefühl, nicht liebens- wert zu sein. Auch grundlegende Ängste vor Strafe entstehen. 4. Stufe (ca. 6.–11. Lebensjahr): Erikson zufolge entsteht in dieser Zeit das Bedürfnis, etwas als sinnvoll oder nützlich empfundenes zu tun. Erikson spricht von Werksinn . Gelingt es, dies umzusetzen, so stehen Lernen und Fleiß im Zentrum dieser Entwick- lungsstufe; wenn nicht, entstehen Minderwertigkeitsgefühle. Dies kann zu einer Entwicklung in Richtung Außenseiter/in führen. 5. Stufe (ca. 12.–16. Lebensjahr): In der Pubertät bildet sich die eigene Identität heraus – oder eben nicht. Die/Der Jugendliche sollte nach Erikson in der Lage sein, sich eine eigene Meinung zu bilden, eine soziale Rolle zu finden, die auch zur geschlechtlichen Identität passt. Gelingt dieser Prozess nicht, so droht ein Identitätsverlust samt Rückzugsbedürfnissen gegenüber Gemeinschaften. 2 3 GrundlaGen Erik H. Erikson (1902–1994) Persönlichkeit und Entwicklung Persönlichkeit und Entwicklung 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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