Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

136 von Geschlechtsdifferenzen aufgeboten wird, die verwickelten Verschiebungen in den semantischen und normativen Gehalten freizulegen. Ins Auge springt dabei die zunehmende „Verwissenschaftlichung“ der Begründungsversuche. Claudia Honegger: Die Ordnung der Geschlechter (2. Aufl. 1992), S. 2. Das Phänomen, das die Soziologin Claudia Honegger hier Anfang der 1990er-Jahre ansprach, stellte sie an den Beginn einer Untersuchung zu medizinischen und anthropologischen Positionen zum Wesen von Frauen und Männern im Zeitraum von 1750 bis 1850. Es besteht darin, dass die duale Zuordnung von Eigenschaften entlang der Trennlinie männlich/weiblich ausgerechnet mit Tätigkeiten zusammenfällt, die für alle bindende Folgen haben und nebenbei auch weitaus mehr Geld einbringen, etwa die Ausübung wissenschaftlicher Definitionshoheit sowie politischer und ökonomi- scher Leitungsfunktionen. Die damit verbundenen Funktionen werden immer wieder unter Zuhilfenahme naturwissenschaftlicher Begründungsversuche Männern zuge- schrieben, während Frauen eher in Richtung Mutterrolle oder zumindest mütterlicher Verhaltensweisen gedrängt werden. Beides gilt dann in einer mehrheitlichen Wahr- nehmung als normal . Auch dem Sexualverhalten von Frauen und Männern werden manchen Untersuchun- gen zufolge unterschiedliche, geschlechtsspezifische Vorgehensweisen zugeschrie- ben, die durch die menschliche Evolutionsgeschichte bedingt seien. So würden einer Studie des Evolutionspsychologen David Buss aus dem Jahr 2004 zufolge Männer kurzfristige Paarbindungsstrategien anwenden, in Form von Verführen und Verlassen. Eine langfristige Strategie würden sie nur wählen, wenn es ihnen um die Zeugung von Nachwuchs ginge. Kurzfristige Bindungsstrategien von Frauen würden auf den Erwerb von Ressourcen (Geld, Status) zielen, langfristige wären auch in ihrem Fall auf die Schaffung eines sicheren, zumindest arbeitsteiligen Umfeldes für das Aufziehen von Kindern gerichtet. Diese Theorie geht davon aus, dass menschliche Sexualität wesentlich auf Fortpflan- zung gerichtet ist. Sie rechnet ein, dass sich Männer aus biologischer Perspektive grundsätzlich häufiger fortpflanzen können als Frauen, – und geht davon aus, dass es Frauen seien, die naturgemäß den Hauptanteil an Zeit und Energie für die Betreuung von Kindern aufbringen werden. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Beurteilen Sie die geschilderten Überlegungen von Buss! Erscheinen Sie Ihnen plausibel? Welche Argumente lassen sich dagegen anführen? Begründen Sie Ihre Positionen! Führen Sie mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn ein Brainstorming durch: Welche Vorurteile zu Frauen und Männern fallen Ihnen ein? Diskutieren Sie Ihre Ergebnisse anschließend gemeinsam in der Klasse! VerTieFunG 2 t 3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv

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