Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

135 Beurteilen Sie die Einstufung von Transsexualität und Intersexualität als psychische Krankheiten! Welche Schlussfolgerungen für a) gesellschaftliche Normen und b) das Konzept psychischer Leiden und Krankheiten lassen sich daraus ableiten? 2.3 sex und gender Im vorangegangenen Abschnitt war viel von biologischem Geschlecht die Rede. Die feministische Theoriebildung der 1980er- und 1990er-Jahre übernahm eine heute sehr bekannte Unterscheidung der Anthropologin Gayle Rubin. Rubin betonte, dass es mehrere Dimensionen von Geschlecht gebe, und zwar eine biologische und eine kulturelle oder soziale. Für diese Dimensionen zog sie zwei Begriffe heran, die im Englischen als Bezeichnung Geschlecht dienen können, sex und gender . Mit sex bezeichnete sie das Geschlecht im biologischen Sinn, mit gender den sozialen und kulturellen Bedeutungsgehalt von Geschlecht. Während sie sex als feststehend oder naturgegeben betrachtete, betonte sie, dass alles, was sich damit an sozialen oder kulturellen Bedeutungsgehalten verbindet (gender) , Ergebnis von historischen Entwicklungen, sozialen Wertungen und Herrschaftsverhältnissen, kurz von Konstruk- tionen ist. Wie wir gesehen haben, ist auch der als sex bezeichnete Aspekt von Geschlecht keineswegs eindeutig natürlich vorgegeben. Rubin und anderen Feministinnen des späten 20. Jahrhunderts ging es jedoch in erster Linie um den Bereich gender . Er umfasste schließlich auch den größten Teil an Zuschreibungen von persönlichen Eigenschaften, die angeblich mit einem bestimm- ten biologischen Geschlecht verbunden sind. Diese Zuschreibungen erfolgten und erfolgen in aller Regel stereotyp, nach einfachen und willkürlich gewählten dualisti- schen Mustern wie aktiv/passiv, stark/schwach, öffentlich/privat, technisch begabt/ kommunikativ usw. Dass derlei Ideen bis heute nicht aus der Welt sind, belegen im Bereich der Neurobiologie diverse Forschungen zu angeblich fundamentalen Unter- schieden zwischen weiblichen und männlichen Gehirnen. Daraus sollen Fertigkeiten und Verhaltensweisen folgen, die exakt altvertrauten Vorurteilen und Klischees entsprechen. Dies wird dann meist evolutionsbiologisch zu begründen versucht. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Beschreiben Sie mit eigenen Worten den Unterschied zwischen sex und gender ! Geben Sie dazu auch Beispiele! Die all überall bis in die jüngste Gegenwart nachweisliche Stilisierung eines (männ- lichen) „Gattungswesens“ zumMenschen der Moderne kassierte sinnigerweise die Wesensbestimmungen des chronisch schwachen, aber nicht immer ungefährlichen und stets irritierenden anderen Geschlechts noch einmal. Auf der Gegenseite ver- leitete die maßlose Redundanz des „natürlichen“ Unterdrückungsdiskurses Frau- enforscherinnen eher dazu, ob der ewigen Wiederkehr der immer gleichen Stan- dardfloskeln die erheblichen Verschiebungen imMassiv der belehnten normativen Potentiale […] nicht mehr wahrzunehmen. […] Es geht also […] darum, unter der Oberfläche solch ewig gleicher Schlußfiguren, mit denen „Natur“ zur Begründung 3 t GrundlaGen úú Kapitel 9.2 1 AuSFüHrunG Persönlichkeit und Entwicklung Persönlichkeit und Entwicklung 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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